Inland

Kopfschuss statt Beschwerde

von Stefan Grönebaum · 19. April 2007
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Nagasakis Bürgermeister Itcho Ito, 61, hat sich international einen Namen dadurch gemacht, dass er sich als Bürgermeister seiner von dem zweiten Atombombenabwurf 1945 betroffenen Stadt seit Jahrzehnten weltweit für nukleare Abrüstung eingesetzt hat. In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch wurde er von einem Mitglied der japanischen Mafia mit zwei Schüssen niedergestreckt und starb am Mittwochmorgen trotz einer vierstündigen Notpoeration. Der unabhängige Politiker wollte bei den Kommunalwahlen erneut als Bürgermeister antreten. Nun bewirbt sich sein Schwiegersohn, ein Journalist, am Sonntag um das Amt.

Tetsuya Shiroo, 59, sagte nach seiner Festnahme, er habe Ito wegen eines Streits mit der Stadtverwaltung ermorden und sich selbst erschießen wollen. Shiroos Auto war 2003 bei kommunalen Straßenarbeiten beschädigt worden. Er habe dafür nie Entschädigung erhalten, da habe sich seine Wut aufgebaut. Japanische Medien meldeten, der "Yakusa" habe horrende Forderungen gestellt, die die Stadt zu erfüllen verweigert habe. Shiroo gilt als Mitglied des größten japanischen Verbrechersyndikats "Yamaguchi-gumi" und soll zuvor Bürgermeister Ito einen Drohbrief geschrieben haben, in dem er ihn der Untreue bei der Vergabe von Bauaufträgen beschuldigt hatte. Die Yakusa kontrollieren in Japan offen Bereiche wie Drogenhandel und Prostitiution, sind aber auch an Immobilienspekulation und bei der Vergabe öffentlicher Aufträge beteiligt.

Ministerpräsident Shinzo Abe nannte die Ermordnung Itos im Wahlkampf einen Anschlag auf die Demokratie, auf den man angemessen reagieren werde. Kabinettssekretär Yasuhiza Shiozaki würdigte das Engagement Itos für den Weltfrieden.

Quelle: Süddeutsche Zeitung und Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 19. April 2007

Autor*in
Stefan Grönebaum

war von 1994 bis 1998 Büroleiter und Persönlicher Referent des SPD-Fraktionsvorsitzenden Rüdiger Fikentscher.

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