Inland

Konstituierung des Bundestages: Carsten Schneider kritisiert Kanzlerin scharf

Wie wird sich die SPD-Fraktion im neuen Bundestag in der Opposition aufstellen? Der Auftritt des SPD-Abgeordneten Carsten Schneider in der konstituierenden Sitzung des neu gewählten Bundestages hat dafür zumindest in punkto Rhetorik eine andere, aggressivere Tonlage vorgegeben.
von Markus Hüttmann · 24. Oktober 2017
Die Bundestagsfraktion der SPD applaudiert während der konstituierenden Sitzung des 19. deutschen Bundestages.
Die Bundestagsfraktion der SPD applaudiert während der konstituierenden Sitzung des 19. deutschen Bundestages.

In der ersten Rede eines SPD-Bundestagsabgeordneten im 19. deutschen Bundestag suchte Carsten Schneider bereitwillig die Konfrontation nicht nur mit der AfD, sondern auch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und der Unionsfraktion. Schneider, der seit Ende September Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion im Bundestag ist, warf der Kanzlerin vor, mit ihrem Politikstil und ihrer „Vernebelungstaktik“ für das Erstarken und den Einzug der AfD in den Bundestag mitverantwortlich zu sein. Das hat lauten Protest aus der Unionsfraktion, aber auch ebenso laute Unterstützung aus den Fraktionen von SPD und Linken zur Folge.

Schneider sprach anlässlich eines Antrages der SPD-Fraktion, der die Rolle des Parlaments und der Opposition entscheidend stärken sollte: Das enge und träge Korsett für das Parlament in Regierungsbefragungen und die Vorabübermittlung von Fragen an die Regierung will die SPD abschaffen. Außerdem sollte es öfter möglich sein, Bundesminister und auch die Kanzlerin im Parlament Rede und Antwort stehen zu lassen. „Frau Merkel, viermal im Jahr müssen Sie sich stellen“, sagte Schneider am Rednerpult, und: „Das Parlament ist das Thermometer für die Lebendigkeit unserer Demokratie, es muss wieder die Bühne der zentralen Auseinandersetzung sein“.

AFD-Fraktion inszeniert sich als Opfer

Ebenfalls klar wurde im Lauf der Sitzung aber auch: Obwohl die Sondierungsgespräche für eine künftige „Jamaika“-Koalition aus Grünen, FDP und den Unionsparteien CDU und CSU gerade erst begonnen haben, läuft das Abstimmungsverhalten der voraussichtlichen Regierungsparteien bereits wie geschmiert: Die drei Fraktionen stimmten mit ihrer Mehrheit dafür, den Antrag der SPD-Fraktion zwar nicht rundheraus abzulehnen, aber zur weiteren Beratung an den Ältestenrat zu übergeben. Die Grünen-Abgeordnete Britta Haßelmann, deren Fraktion in der vergangenen Legislaturperiode noch mehr Rechte für die Opposition gefordert hatte, begründete das mit dem „Voranpreschen“ der SPD sowie damit, dass der Antrag nicht deckungsgleich mit grünen Forderungen aus der Vergangenheit sei.

Ein Raunen ging durch den Saal, als Alterspräsident Hermann Otto Solms seine Eröffnungsrede auch dazu nutze, der FDP und damit seiner eigenen Fraktion zum Wiedereinzug in das Parlament zu gratulieren; außerdem forderte er eine Wahlrechtsreform zur Verkleinerung des Bundestages. Echte Empörung löste kurzzeitig die AfD aus: Der Abgeordnete Bernd Baumann stellte seine Fraktion in eine Reihe mit den Opfern des Nationalsozialismus. Die Verhinderung des AFD-Abgeordneten Albrecht Glaser als Alterspräsidenten durch die restlichen Fraktionen sei vergleichbar mit Handeln von Hermann Göring als Reichstagspräsident in den letzten Monaten der Weimarer Republik: Kopfschütteln und ungläubige Blicke im Saal und auf der Tribüne.

Wolfgang Schäuble zum Bundestagspräsidenten gewählt

Ansonsten verlief die konstituierende Sitzung ohne große Überraschungen: Wolfgang Schäuble wurde mit einer großen Mehrheit von 501 Stimmen (bei 705 anwesenden Abgeordneten) zum Nachfolger von Norbert Lammert als Bundestagspräsident gewählt. Sein Stellvertreter für die SPD-Fraktion wurde Thomas Oppermann mit 396 Ja-Stimmen, nachdem Ulla Schmidt und Christine Lambrecht ihre Kandidatur innerhalb der Fraktion zurückzogen. Wolfgang Kubicki (FDP), Claudia Roth (Grüne), Petra Pau (Linke) und Hans-Peter Friedrich (CSU) stoßen als weitere Stellvertreter zum Bundestagspräsidium hinzu. AFD-Kandidat Albrecht Glaser, der im Vorfeld unter anderem die Religionsfreiheit für den Islam infrage gestellt hatte, fiel in drei Wahlgängen durch, die Besetzung des Postens wird vertagt.

Autor*in
Markus Hüttmann

ist bis zum 1. Dezember 2017 Praktikant in der Redaktion des vorwärts. Der gebürtige Hamburger studiert Politikwissenschaft im Master an der Freien Universität Berlin.

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