König Charles: Warum seine Rede politischer werden könnte als erwartet
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Als erster englischer Monarch wird König Charles am Donnerstag im Bundestag sprechen. Was erwarten Sie von der Rede?
Die Rede wird vor allem zeremoniellen Charakter haben. König Charles ist ja zwar das Staatsoberhaupt, aber nicht der Regierungschef Englands. Ich könnte mir dennoch vorstellen, dass seine Rede politischer wird als man es erwartet. Themen, für die sich Charles zum Teil seit Jahrzehnten engagiert, gibt es ja einige. Ich habe auch den Eindruck, dass er insgesamt politischer agiert als seine Mutter. Vermutlich, weil es das in Großbritannien gerade auch braucht. Die politische Lage ist dort ja nach den vielen Regierungswechseln der letzten Monate sehr angespannt.
Als König muss sich Charles eigentlich politisch neutral verhalten. Wie deutlich kann er sich in solch einer Rede wie der im Bundestag da überhaupt positionieren?
Der berühmte Wink mit dem Zaunpfahl ist sicher möglich. Auch die deutschen Bundespräsidenten haben ja bei aller Neutralität durchaus politisch Einfluss genommen, etwa wann ich an Roman Herzog und seine Ruck-Rede denke oder wie Frank-Walter Steinmeier die Parteien 2017 mehr oder weniger zu einer Regierungsbildung gezwungen hat. König Charles nimmt seine Macht in erster Linie aus seiner Autorität, nicht aus seinem Amt.
Viele sehen die Rede und den Deutschlandbesuch überhaupt auch als Zeichen der Wiederannäherung nach dem Brexit. Sie auch?
Ja, ganz sicher. König Charles sieht seine Rolle durchaus darin, die Beziehungen zu Deutschland nach dem Brexit wieder zu stärken. Das kann er aus der eigenen Familiengeschichte heraus auch sehr gut vertreten. Ich bin überzeugter Demokrat und Republikaner und kein Royalist, aber ein positiver Punkt der britischen Monarchie ist sicher, dass es die Windsors gewohnt sind, in langen Linien zu denken, also auch über Wahlen hinaus. Charles weiß, wie wichtig Verbündete und Partner für Großbritannien sind. Das kann eine Chance sein.
Schon als Thronfolger hat sich Charles stark für den Klimaschutz eingesetzt. Zuletzt hat er sich auch für Geflüchtete engagiert, während die britische Regierung hier eher auf Repression setzt. Ist er eine Art Gegengewicht zur konservativen britischen Regierung?
Charles sind auf jeden Fall klassisch konservative politische Werte wichtig. Als Staatsoberhaupt ist er ja auch eine moralische Instanz. Mein Eindruck ist, dass es ihm gehörig gegen den Strich geht, dass die aktuelle britische Regierung das Bild herzloser Technokraten abgibt. Das ist nicht das Bild, dass er von Großbritannien vermittelt sehen möchte. Deshalb nimmt er es sich schon heraus, explizit und implizit Kritik zu äußern. Der Regierungschef muss ja auch jede Woche bei ihm zum Tee antreten.
Nochmal zurück zur Rede am Donnerstag. Was meinen Sie, wird Charles auch Deutsch sprechen?
Ich bin mir sicher, dass es auch Redepassagen auf Deutsch geben wird. Allerdings wird sich seine Rede vermutlich nicht nur an das deutsche, sondern auch an das britische Volk richten. Deshalb wird er sicher nicht die gesamte Rede auf Deutsch halten, auch wenn er das sprachlich könnte.
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Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.