Koalitionssausschuss: Was die SPD erreicht hat – und wo die Union blockiert
picture alliance / dpa
„Das war gestern die letzte Chance“, sagte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann am Donnerstag in Berlin. Gemeint ist: Die Sitzung des Koalitionssausschusses am Mittwoch Abend im Kanzleramt – wohl das letzte Treffen der Parteispitzen von SPD und Union in dieser Legislaturperiode.
Martin Schulz verhandelt wie ein Kanzler
Nach über sechs Stunden am Verhandlungstisch lautet Oppermanns Fazit: Die SPD konnte sich in vielen Punkten durchsetzen – allerdings blockiere die CDU alles, was mit mehr Gerechtigkeit zu tun habe. „Die Union ist nicht bereit, über ihren konservativen Schatten zu springen“, lautet seine Kritik.
Ein großes Lob sprach Oppermann dagegen seinem Parteivorsitzenden Martin Schulz aus, der für die Sozialdemokraten die Verhandlungen im Koalitionsausschuss führte. Dass der SPD-Kanzlerkandidat womöglich ab Herbst Regierungschef sein könnte, das sei inzwischen wohl auch Angela Merkel klar: „Ich hatte den Eindruck, dass Frau Merkel zwischendurch auch mal mit dem Gedanken gespielt hat, dass Martin Schulz Bundeskanzler sein könnte“, sagte Oppermann. „So wie er verhandelt hat, könnte er das sofort.“
Verbot der Kinder-Ehe und Kampf gegen Salafisten
So habe die SPD bei den Beratungen im Kanzleramt einige Erfolge erzielen können: Die Regierung habe sich auf einen Gesetzesentwurf aus dem Justizministerium geeinigt, nach dem das generelle Heiratsalter in Deutschland auf 18 angehoben wird. Auch mit dem Einverständnis der Eltern dürfen damit Jugendliche unter 18 Jahren künftig keine Ehen mehr schließen. Im Blick hat die Regierung vor allem die sogenannten Kinder-Ehen. „Kinder gehören nicht in die Ehe, sondern in die Schule“, sagte Oppermann.
Mit der Idee eines nationalen Präventionsprogramms gegen islamistischen Extremismus konnte sich Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig durchsetzen. Rund 100 Millionen will die Bundesregierung ausgeben, um junge Menschen „zu stabilisieren, sie zu immunisieren gegen die Verführungen von Salafisten und Extremismus“, wie Oppermann erklärte. Damit wolle die SPD das Problem des religiösen Fanatismus an der Wurzel packen und die Radikalisierung von Jugendlichen verhindern, bevor es zu spät ist. „Wir haben lange gekämpft für dieses Präventionsprogramm“, sagte der SPD-Fraktionschef.
„Die ideologischen Grenzen der Union“
Insgesamt habe der Koalitionssauschuss eine Reihe von Punkten beschlossen, die auf Ideen der SPD zurückgingen. „Bei allen Fragen, die mehr Gerechtigkeit betreffen, stoßen wir allerdings jetzt an die ideologischen Grenzen der Union“, sagte Oppermann. Zum Beispiel mache die CDU „einen Kompromiss bei der Rückkehr in Vollzeit unmöglich“. Rund 700.000 Arbeitnehmer in Deutschland – der überwiegende Teil Frauen – wollten länger arbeiten und aus der „Teilzeitfalle“ herauskommen. Die Union verhindere jedoch ein Recht auf Vollzeit – damit bleibe es bis auf weiteres bei der ungerechten Lohnlücke zwischen Männern und Frauen.
Auch blockiere die CDU einen besseren Mieterschutz und habe etwas gegen die Begrenzung von Managergehältern. Nach den Plänen der SPD sollten extrem hohe Managergehälter in Zukunft nicht mehr steuerlich absetzbar sein. „Wir wollen, dass überhöhte Managergehälter nicht mehr von den Steuerzahlern mitfinanziert werden“, sagte Oppermann. Allein: Die Union wolle die „exzessiven Gehälter“ der Manager nicht antasten – die SPD hingegen wolle in dieser Frage „zurück zu Maß und Mitte“, wie Oppermann sagte. Auch bei der Gleichstellung homosexueller Paare sei eine Einigung mit der Union nicht möglich. „Die Union lehnt die Ehe für alle ab“, kritisierte Oppermann. CDU und CSU verhinderten dadurch eine „wichtige Modernisierung der Gesellschaft“.
Oppermann: Gemeinsamkeiten der großen Koalition sind erschöpft
Ingesamt 25 Tagesordnungspunkte wurden am Mittwoch im Kanzleramt besprochen. Dabei sei eines deutliche geworden, sagte Oppermann: „Hier haben sich die Gemeinsamkeiten in der großen Koalition erschöpft.“ CDU und CSU wollten in dieser Legislaturperiode viele Dinge einfach nicht mehr voranbringen. Deswegen müsse der Großteil nach der Bundestagswahl wieder auf die Tagesordnung, sagte Thomas Oppermann: „Wir werden diese Dinge in der nächsten Bundesregierung unter einem Bundeskanzler Martin Schulz umsetzen.“
ist promovierter Sprachwissenschaftler und war bis Mai 2018 Redakteur beim vorwärts.