Keine Chancengleichheit an deutschen Schulen
Am Dienstag veröffentliche die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) den neuesten Bericht zur „Chancengleichheit in der Bildung – Abbau von Hindernissen für soziale Mobilität“. Die Auswertung des Programms zur internationalen Schülerbewertung (PISA) von 2015 belegt, dass Deutschland bei der Chancengleichheit im internationalen Vergleich schlecht abschneidet.
Bildungsunterschied von dreieinhalb Schuljahren
Die soziale Schere hat sich in Deutschland etwas geschlossen. In allen drei getesteten Bereichen – Naturwissenschaftliche Grundbildung (in den Bereichen Physik, Chemie, Biologie und Geowissenschaften), Mathematik und Leseleistung – ist der Einfluss der sozialen Herkunft an den schulischen Leistungen zwischen 2006 und 2015 um vier Prozent gesunken. Im internationalen Vergleich bleibt er in Deutschland jedoch überdurchschnittlich hoch. So ließen sich bei den naturwissenschaftlichen Fragen 16 Prozent des Leistungsunterschiedes durch den sozioökonomischen Hintergrund der Schüler erklären. Damit üben in Deutschland die Herkunft und der Beruf der Eltern drei Prozent mehr Einfluss auf den schulischen Erfolg ihrer Kinder aus als im internationalen Vergleich. Während sozial benachteiligte Schüler bei naturwissenschaftlichen Aufgaben 466 Punkte erzielten, erreichten privilegierte 569 Punkte – was einem Bildungsunterschied von dreieinhalb Schuljahren entspricht.
Schulen müssen durchmischter werden
Am höchsten ist der Bildungsrückstand von Kindern in Schulen und Klassen, wo der Anteil von sozial benachteiligten Schülern besonders hoch ist. Auf knapp die Hälfte der Schüler aus bildungsfernen Familien trifft dies zu. Die Leistung sozial schwächerer Schüler verbesserte sich aber um stolze 122 Punkte, wenn sie mehrheitlich mit sozial bevorteilten Kindern zur Schule gehen. Damit entscheidet die sozial homogene Zusammensetzung – in bevorzugt oder benachteiligt –, bzw. die Postleitzahl der Schule über die Qualität der Bildung, die ein Kind erhält.
Schwieriger Aufstieg an die deutschen Unis
Fast jeder Vierte erlangt in Deutschland einen höheren Bildungsabschluss als seine Eltern. In Korea – dem in diesem Bereich am besten bewerteten Land – ist es mehr als jeder Zweite. Die schon in der Schule einsetzende soziale Segregation vestärkt sich an den deutschen Universitäten und Fachhochschulen. 2015 haben nur 15 Prozent der Erwachsenen, deren Eltern kein Abitur absolviert haben, einen Hochschulabschluss erlangt. Damit liegt Deutschland nach der neuesten PIAAC-Studie (Programme for the International Assessment of Adult Competencies) unter dem internationalen Durchschnitt von 21 Prozent.
Lösungsvorschläge der PISA-Forscher
Um die Bildungskluft zu verkleinern, fordert der OECD, einen gleichen Zugang zu Bildung für alle – im Klassenzimmer, auf der Ebene der Schulen und im Bildungssystem. Die Länder sollten vor allem für sozial benachteiligte Familien frühkindliche Bildungangebote bereitstellen, da solche Programme gleichberechtigte Lernumfelder förderen und die Kinder dabei unterstützen, wesentliche soziale und emotionale Kompetenzen zu erwerben. Auch sollten den sozial schwachen Schülern und Schulen zusätzlich Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Es muss zudem verhindert werden, dass fast ausschließlich sozial benachteiligte Schüler in einer Klasse oder Schule landen. Außerdem sollten Lehrer dafür ausgebildet werden, um auf die individuellen Bedürfnisse der Schüler eingehen und sozial vielfältige Klassen unterrichten zu können, heißt es im OECD-Bericht.
Die Effizenz eines weiteren Lösungsvorschlags der OECD, dass sich Eltern mehr in die Bildung ihrer Kinder einbringen sollten, ist fraglich, da er erneut den akademischen Hintergrund der Eltern zu einem entscheidenden Faktor für den schulischen Erfolg der Kinder machen würde.
studiert Geschichte und Deutsche Literatur und war Praktikantin in der vorwärts-Redaktion von Oktober bis Dezember 2018.