Inland

„Kein Kavaliersdelikt“

von Die Redaktion · 4. Februar 2011
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Frau Weiler, bereits seit 2000 gibt es eine europäische Richtlinie mit dem Ziel der Bekämpfung des Zahlungsverzugs. Warum war eine Überarbeitung nötig?

Die Zahlungsmoral hat sich in den letzten Jahren in Europa - auch in Deutschland - verschlechtert. Dieser Trend begann schon vor der Wirtschaftskrise. Das überarbeitete Gesetz gibt deshalb erstmals konkrete Fristen vor und stellt durch Sanktionen sicher, dass diese auch eingehalten werden.

Wer leidet am meisten unter schlechter Zahlungsmoral?

Vor allem kleine und mittlere Unternehmen (KMU) gerieten allzu oft unverschuldet in Liquiditätsschwierigkeiten, weil Rechnungen zu spät beglichen wurden. Deshalb wurden im "Small Business Act" der Europäischen Kommission rechtliche Schritte gefordert. Darauf hat die EU mit der Verschärfung des Gesetzes reagiert.

Ganz konkret: Wie sehen die entscheidenden Verbesserungen aus?

Die Einigung sieht Zahlungsfristen von grundsätzlich 30 Tagen für öffentliche und private Auftraggeber vor, lässt jedoch Verlängerungen unter bestimmten Bedingungen zu. Die Richtlinie legt außerdem Strafen für säumige Zahler fest: eine Erhöhung der Verzugszinsen auf acht Prozent sowie eine unbürokratische und adäquate Entschädigung für Beitreibungskosten.

Was für Anreize gibt es für Firmen, zügig zu zahlen?

Dazu gehört beispielsweise die Veröffentlichung von Auftraggebern mit guter Zahlungsmoral, Informationskampagnen zur Aufklärung von KMU über ihre Rechte und die Förderung alternativer Streitschlichtungsinstrumente.

Was halten Sie von dem Regelwerk?

Unter dem Strich haben wir damit ein wirklich gelungenes Paket an Maßnahmen zusammengestellt, das kleinen Unternehmen und Handwerkern vor Ort spürbar helfen wird.

Was entgegnen Sie öffentlichen Auftraggebern, die sich - auch mit Hinweis auf ihre großen Finanzsorgen - gegen striktere Fristen und Sanktionen aussprechen?

Öffentliche Auftraggeber sind von diesem Gesetz nicht betroffen, wenn sie ihre Rechnungen pünktlich bezahlen. Bei guter Zahlungsmoral - wie sie in vielen europäischen Ländern vorherrscht - kann es insofern kaum Einwände gegen die Richtlinie geben. Im Übrigen kommt öffentlichen Stellen meiner Meinung nach eine Vorbildrolle zu. Trotz der aktuellen Haushaltssituation gelten für sie Regeln, die eine bessere Zahlungsmoral erwarten lassen.

Sie haben die Verhandlungen für das EU-Parlament mit den Mitgliedstaaten und der Kommission geführt. Wie verlief die Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten?

Die Verhandlungen waren sehr schwierig. Insbesondere die schwarz-gelbe Bundesregierung wollte die Richtlinie immer wieder durch Schlupflöcher aufweichen und hat zusammen mit Österreich bis zum Schluss im Rat dagegen gestimmt. Es ist eine gute Nachricht für alle KMU, dass sie sich nicht durchsetzen konnte. Das positive Feedback besonders von Handwerksverbänden zeigt, dass wir ein dringend erwartetes Gesetz erarbeitet haben. Es kann ein Baustein der wirtschaftlichen Stabilität in Europa sein.

Wie geht es jetzt weiter?

Der erste Schritt ist getan. Ein Gesetz allein rettet jedoch keinen Kleinunternehmer vor dem Konkurs. Die Mitgliedstaaten sind nun am Zug. Sie sollten die zwei Jahre Umsetzungszeit keinesfalls ausschöpfen. Die Möglichkeiten der neuen Richtlinie müssen schon jetzt von den KMU genutzt werden können. Kleine und mittlere Unternehmen sind in allen europäischen Staaten - auch in Deutschland - das Rückgrat der Wirtschaft; sie sind Motor für Wachstum, Innovationen und Jobs.

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Die Redaktion

des vorwärts.

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