Die WTO steht vor großen Herausforderungen. Der Seniorberater für den globalen Handel bei der Weltbank, Carlos A. Primo Braga, fasst den aktuellen Stand der Doha-Runde so zusammen: "Es gibt
viele Themen, von denen ich glaube, dass wir sie bewältigen werden. Aber uns läuft die Zeit davon." Er wäre froh, wenn die größten Herausforderungen gemeistert würden. "Das sind wir den
Entwicklungsländern schuldig. Wir sollten sie nicht belügen."
Welche Herausforderungen sind das?
Die Entwicklungsländer fordern die Industrienationen auf, ihre Märkte für Agrargüter zu öffnen. Diese wiederum möchten ihre Technologiegüter auf den Markt der Entwicklungsländer bringen.
Konfliktbringend sind dabei einerseits die hohen Industriezölle der Entwicklungsländer und andererseits die Agrarsubventionen von EU und USA. Der Botschafter Brasiliens, Luiz Felipe de Seixas
Correa, ist unzufrieden mit dem derzeitigen Verhandlungsstand. Er hoffe zwar auf ein großartiges Doha-Abkommen und Brasilien werde auch sein Bestes dafür tun. Jedoch glaube er, dass auch diese
Verhandlungen scheitern werden. "Die EU ist zu keinen Handelsliberalisierungen in der Landwirtschaft bereit. Und mittlerweile haben die USA die gleiche Position."
Der Handel auf bilateraler Ebene sei von diesem Konflikt aber nicht betroffen. Trotz der anhaltenden Aufwertung des Euro gegenüber dem Dollar sei z. B. China nach wie vor hungrig auf
Industriegüter aus dem Westen. Deshalb sei es notwendig, hochwertige Produkte anzubieten. Das sei das Überlebensprinzip für die deutsche Wirtschaft, so der Bundestagsabgeordnete und
wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Rainer Wend. "Je technologischer ausgefeilt ein Bereich ist, umso mehr profitieren wir beim Export davon."
Die Bedingungen des bilateralen Handels hätten sich verändert. Klimaveränderungen und Umwelt beeinflussten die Handelswege ebenso wie knapper werdende Ressourcen. Auch damit müsse sich die
WTO auseinandersetzen, meint Matthias Machnig, Staatssekretär im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Die Entwicklungs- und Schwellenländer müssten wissen, dass eine
Industrialisierung, wie sie früher der Fall war, unter heutigen globalen Aspekten nicht mehr möglich sei. "Die müssten den Schritt machen - jetzt nehme ich mal ein großes Wort - in die dritte
industrielle Revolution, wo wir mit weniger Ressourcen und weniger Energieverbrauch trotzdem Wachstumsprozesse organisieren."
Gibt es Alternativen, sollte die Doha-Runde scheitern?
Robert A. Pollard, Gesandter Botschaftsrat für Handel und Leiter der Wirtschaftsabteilung der amerikanischen Botschaft, verneint das. Man müsse seine Position zu Doha deutlicher zeigen. "Ich
betone nochmals ausdrücklich, dass die USA sich vollkommen den Doha-Verhandlungen verpflichtet fühlen." Doha werde die absolute Priorität in Handelsfragen haben. Außerdem stimme er seinen Kollegen
zu, dass es kein Doha "light" geben dürfe.
Einig waren sich die Politiker und Wirtschaftsexperten darin, dass ein multilateraler Konsens bilateralen Verhandlungen vorzuziehen sei. Er würde den Entwicklungsländern eine weltweite
Integrationsperspektive eröffnen. Um das erreichen zu können, sollte das umfangreiche Themenbündel, mit dem sich die Runde beschäftigen muss, reduziert werden.
Mamke Kühl
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