Rund 7,5 Millionen junge Europäer befinden sich weder in Beschäftigung noch in einer Ausbildung. Um die hohe Arbeitslosenquote zu verringern, müssen die Bildungssysteme und Arbeitsmärkte dringend reformiert werden, fordert eine Studie. Sie richtet sich vor allem an die Krisenländer.
Spanien, Italien und Portugal sind besonders von der Jugendarbeitslosigkeit betroffen. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim, die von der Robert-Bosch-Stiftung in Auftrag gegeben wurde. Die Geschäftsführerin der Stiftung, Ingrid Hamm, findet die Arbeitslosenzahlen für junge Menschen alarmierend hoch. "Es wird so etwas wie eine verlorene Generation produziert." Viele Menschen, die in jungen Jahren arbeitslos sind, würden auch später nicht mehr richtig Fuß fassen auf dem Arbeitsmarkt.
Für die hohe Jugendarbeitslosigkeit gebe es viele Gründe, die nicht allein in der konjunkturelle Krise zu finden seien. "Jugendarbeitslosigkeit ist kein neues, sondern ein strukturelles Problem. Das gab es vor zehn Jahren auch schon", so ZEW-Arbeitsmarktexperte Holger Bonin am Dienstag in Berlin. Laut der Studie liegen die Ursachen in hohen Schulabbrecherquoten, in einem Ausbildungssystem, das sich nicht am Bedarf des Arbeitsmarkts orientiere, und in Konflikten zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften.
Probleme Überqualifizierung und Kündigungsschutz
In Spanien verlasse jeder fünfte Jugendliche die Schule ohne einen Abschluss. Die Zahl der Hochschulabsolventen hingegen liegt weit über dem EU-Durchschnitt, jeder zweite Spanier hat heute einen akademischen Abschluss. Was zunächst positiv klingt, führe jedoch dazu, dass in den Ausbildungsberufen Nachwuchs fehle. "Diese Bildungssysteme sind betriebsfern, sie gehen an dem eigentlichen Bedarf der Unternehmen vorbei und das ist eine große Gefahr", so Bonin. Daher müsse die berufliche Ausbildung verbessert und attraktiver werden. Hierfür seien duale Ausbildungssysteme entscheidend, in denen Unternehmen eine starke Rolle spielen. Das deutsche System sei ein Vorbild, denn Deutschland gehe es vergleichsweise gut. Trotzdem "dürfen uns die Probleme in anderen europäischen Staaten nicht kalt lassen", betonte Rainer Sontowski (SPD), Staatssekretär des Bundeswirtschaftsministeriums.
Die Experten kritisieren zudem die Arbeitsmarktreglungen, durch die es vor allem in südeuropäischen Ländern zu einer Spaltung des Arbeitsmarkts gekommen sei. Während Festangestellte von starken Kündigungsgesetzen profitieren, seien Berufseinsteiger oft nur befristet beschäftigt. Letztere leiden deshalb am meisten unter wirtschaftlichen Schwankungen. In Spanien wurden bereits erste Maßnahmen zur Lockerung des Kündigungsschutzes getroffen. In Italien und Portugal seien vergleichbare Schritte bisher nicht geglückt.
Die Studie rät auch dazu, die Lohnstruktur in Portugal zu ändern. So sollten etwa "beschäftigungshemmende Tariflöhne" verringert und die Mindestlöhne an das Alter angepasst werden. Dadurch würden Arbeitgeber einen Anreiz erhalten, junge Menschen einzustellen.
Kritik an Jugendgarantie der EU
Die sogenannte Jugendgarantie, ein Konzept der EU-Kommission, halten die Experten nicht für zielführend. Das Konzept sieht vor, dass Jugendliche unter 25 Jahren innerhalb der ersten vier Monate Arbeitslosigkeit einen Job, einen Ausbildungsplatz oder ein Praktikum erhalten. Dafür sind 21 Milliarden Euro eingeplant. In südeuropäischen Ländern fehle es jedoch an Strukturen, auch in der Verwaltung, um das umzusetzen.
Ferner seien Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und staatliche Ausbildungsplätze erfahrungsgemäß keine starke Brücke in den Arbeitsmarkt, warnte ZEW-Präsident Clemens Fuest. Der derzeitige Ansatz der EU sei daher problematisch. "Die Länder sollten sich auf zielgerichtete Instrumente wie die Qualifizierung von Jugendlichen ohne Ausbildung konzentrieren", so Fuest. Darüber hinaus müsse auch die Qualität der Berufsberatung und Arbeitsvermittlung verbessert werden. Denn eine fundierte Ausbildung sei enorm wichtig – "auch für die wirtschaftliche Entwicklung Europas", betonte Staatssekretär Sontowski.