Inland

IG-Metall-Chef: Stellenstreichungen sind pervers

von Vera Rosigkeit · 7. Dezember 2007
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In der Union wächst der Unmut über den Postmindestlohn, Niedersachsen und Baden-Württemberg kündigten im Bundesrat ihr Nein an und der größte private Briefzusteller Deutschlands, die Pin-Group-AG (im Besitz des Springerkonzerns) will beim Bundeskartellamt gegen den Tarifvertrag zum Postmindestlohn vorgehen und droht mit weiteren Entlassungen.

Starke Gewerkschaften nötig

Am Freitag bezeichnete IG-Metall-Chef Berthold Huber die angekündigten Stellenstreichungen bei PIN Group unter Hinweis auf den geplanten Post-Mindestlohn als "pervers". Es seien starke Gewerkschaften nötig, um solche Arbeitgeber in die Schranken zu weisen," sagte Huber der Tagesschau. "Es seien starke Gewerkschaften nötig, um solche Arbeitgeber in die Schranken zu weisen."

Die Vize-Vorsitzende der Gewerkschaft ver.di, Margret Mönig-Raane, übte ebenfalls heftige Kritik am Post-Konkurrenten PIN. "Wenn die Konkurrenz der Post nur existieren könne, indem sie Dumpinglöhne zahle, von denen die Beschäftigten nicht leben könnten, sei dies wirtschaftlich nicht sinnvoll und inhuman", sagte sie am Freitag im Deutschlandradio Kultur. Der Wettbewerb

dürfe nicht zu Lasten der Beschäftigten gehen.

Geschäftsmodell nicht rechtstauglich

Auch die SPD hält trotz weiterer Entlassungsdrohungen der Postkonkurrenten am geplanten Mindestlohn für Briefzusteller fest. Die Liberalisierung des Postsektors dürfe nicht zu Lasten der Arbeitnehmer erfolgen, erklärte der stellvertretende SPD-Fraktionschef Ludwig Stiegler am Donnerstag im Deutschlandfunk. Wettbewerb heiße nicht Lohndumping. "Wenn man im Wettbewerb dazu gewinnt, muss man seine Leute anständig bezahlen können", so Stiegler. "Sonst ist das Geschäftsmodell von vornherein im Falle des Postgesetzes gar nicht rechtstauglich."



Warum sollen Private mit Steuergeldern subventioniert werden?


Unterstützung für die Einführung des Mindestlohns erhielt die SPD aus der Wissenschaft. Arbeitsmarktexpertin Heike Solga, Professorin an der UNi Göttingen, erklärte am Donnerstag im Interview mit tagesschau.de, warum es ohne Mindestlohn nicht gehe. "Wenn Arbeitnehmer für zwei bis vier Euro Vollzeit arbeiten gehen und um zu überleben, Hartz IV brauchen, wäre das eine Subventionierung der Branche in großem Stil. Warum sollten private Postdienstleister mit Steuergeldern subventioniert werden?", erklärte Solga und fügte hinzu:. "Müsste man da nicht eher Kindergärten und Bibliotheken unterstützen? Wenn die Beschäftigten dagegen Vollzeit arbeiten und einen Mindestlohn verdienen, dann sind sie auch sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Sie haben eine andere Absicherung und unterstützen gleichzeitig die Gesellschaft."



Deutsche wollen Mindestlohn


Der neue ARD-DeutschlandTrend zeigt allerdings klar, dass die Deutschen den Mindestlohn wollen. Ein Grund dafür könnte darin liegen, dass der viel zitierte Aufschwung laut Erhebung "eindeutig nicht bei den Menschen angekommen" ist: "81 Prozent der Deutschen haben das Gefühl, dass sie nicht vom Wachstum profitieren. Das Erstaunliche daran: Je länger der Boom dauert, desto stärker wird dieses Gefühl. Im Juli waren es immerhin noch 30 Prozent, die sich auf der wirtschaftlichen Gewinnerseite einordneten. Jetzt sind es nur noch 18 Prozent."

Der Deutschlandtrend zeigt auch, dass in Zeiten der Großen Koalition für wirtschaftliche und soziale Missstände mehr die SPD und weniger die Union abgestraft wird. Während die Unionsanhänger mehrheitlich (70 Prozent) mit der Arbeit der Bundesregierung zufrieden sind, sind die SPD-Anhänger mehrheitlich (65 Prozent) unzufrieden.

Wer profitiert?

Unterm Strich scheinen also nur wenige vom Aufschwung zu profitieren und vom Mindestlohn gleich dazu: Post-Chef Klaus Zumwinkel steht weiterhin in der Kritik. Zumwinkel hatte mit dem Verkauf von Aktien der Deutschen Post AG im Wert von 4,73 Millionen Euro rund 2,24 Millionen Euro verdient. Der Wert der Aktien war nach der Entscheidung für den Post-Mindestlohn gestiegen.

ver.di will Lohnuntergrenze für Pfleger

Die Gewerkschaft ver.di fordert nun auch einen Mindestlohn für Pfleger. Für Anfang Januar sei ein Treffen mit den Arbeitgebern geplant, um die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen, sagte Ellen Paschke, Bundesvorstandsmitglied von ver.di dem "Tagesspiegel" am Freitag.

Quellen: Tagesschau, Tagesspiegel

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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