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Homeoffice: Wie die Arbeit von Zuhause nach Corona aussehen sollte

Seit Juli sind Unternehmen nicht mehr verpflichtet, ihren Beschäftigten Home Office oder mobiles Arbeiten anzubieten. Dennoch pochen DGB und Arbeitsministerium auf klare Regeln für die Arbeit in den eigenen vier Wänden.
von Benedikt Dittrich · 16. Juli 2021
Arbeiten von Zuhause: Nicht für jede*n ist das Homeoffice eine Wunschvorstellung.
Arbeiten von Zuhause: Nicht für jede*n ist das Homeoffice eine Wunschvorstellung.

„Homeoffice verspricht für viele mehr Selbstbestimmung, mehr Flexibilität, Zeitersparnis durch den Wegfall von Arbeitswegen und eine bessere Vereinbarkeit von Arbeiten und Leben“, fasst DGB-Chef Reiner Hoffmann die Vorteile des in der Pandemie für viele zur Regel gewordenen Arbeitens zusammen. Der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbunds sieht aber auch die Schattenseiten für Arbeitnehmer*innen: „Mobiles Arbeiten kann eben auch eine schwierigere Abgrenzung zwischen Arbeit und Freizeit bedeuten, Überstunden, Dauer-Erreichbarkeit, Arbeitsverdichtung und Mehrfachbelastungen, wenn wie derzeit zum Beispiel Kinderbetreuung nebenbei stattfinden muss.“ Letzteres sei vor allem für Frauen problematisch, weil diese nach wie vor mehr Arbeit in der Familie erledigten. „Da besteht auch ganz klar die die Gefahr eines Rückfalls in tradierte Geschlechterrollen“, warnt Hoffmann eindringlich.

Grundsätzlich zeigt sich aus Sicht des DGB aber auch beim neuen Arbeiten ein altes Muster: In Betrieben, wo es Betriebsräte, etablierte Mitbestimmungsmöglichkeiten und Vereinbarungen mit dem Personal gibt, sind die Mitarbeiter*innen zufriedener – das gilt auch für die Arbeit von Zuhause aus. Daraus leitet Hoffmann ab: „Homeoffice braucht klare Regeln, beispielsweise was Arbeitszeit, Anforderungen an die Erreichbarkeit und technische Ausstattung angeht. Und es muss immer freiwillig sein. Der Präsenzarbeitsplatz im Büro darf nicht einfach wegrationalisiert werden.“

Klare Regeln – auch für mobiles Arbeiten

Damit besteht der DGB ebenso auf klaren Regeln zu Homeoffice und mobilem Arbeiten wie Bundesarbeitsminister Hubertus Heil. Heil hatte schon während der Pandemie klare Regeln für die Zeit danach gefordert, sprach sich für ein klares Recht auf Homeoffice aus. Heil legte im Oktober vergangenen Jahres einen Vorschlag vor, auch die SPD-Bundestagsfraktion sieht dringenden Regelungsbedarf für eine Arbeitsform, die aus Sicht der Sozialdemokrat*innen auch nach der Pandemie verstärkt zur Arbeitswelt gehören wird.

Dem Arbeitsminister schwebt ein grundlegendes Recht auf 24 Tage mobiles Arbeiten vor – also zwei Tage pro Monat. Die Tarifparteien könnten sich aber natürlich auch auf einen höheren Anteil einigen. Der DGB pocht ebenso auf ein Recht auf Homeoffice, setzt den Fokus in einem Positionspapier vor allem auf klare Arbeitsschutz-Regeln und Mitbestimmung bei der Gestaltung des heimischen Arbeitsplatzes. Minister wie DGB betonen auch die Freiwilligkeit von Seiten der Arbeitnehmer*innen – niemand dürfe ins Homeoffice gezwungen werden.

Während sich DGB und SPD also in vielen Punkten einig sind – das Recht auf Homeoffice findet sich auch Wahlprogramm der Sozialdemokrat*innen – gab es in dieser Legislatur keine Einigung mit der Union, was auch Hoffmann bedauert. „Union und Arbeitgeber sollten ihre Blockadehaltung dringend überdenken“, so der Gewerkschaftschef. „Man kann nach mehr als einem Jahr Pandemie nicht so tun, als wäre nichts gewesen.“ Schließlich habe man gesehen, dass viel mehr mobile Arbeit möglich war, als behauptet wurde.

Jede*r Vierte saß im Winter im Homeoffice

Gerade nachdem das Arbeitsministerium im Winter angeordnet hatte, dass Unternehmen ihren Mitarbeiter*innen wo immer möglich die Arbeit von Zuhause anbieten sollten, wurde dies auch vielen ermöglicht. Die Zahl der Menschen, die im Homeoffice saßen, nahm deutlich zu, wie die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung im Februar ermittelt hatte. Ende Januar lag sie in etwa auf dem Niveau zu Beginn der Pandemie im April 2020, jede vierte Person arbeitete zu der Zeit von Zuhause aus. Dass jetzt Menschen wieder ins Büro zurückkehrten, führt Hoffmann unter anderem auch auf die weiterhin in Deutschland verbreitete Präsenzkultur zurück, ebenso aber auch auf Kontrollbedürfnisse der Arbeitgeber*innen.

Um die Menschen an ihrem Arbeitsplatz auch in den eigenen vier Wänden zu schützen mit Blick auf Arbeitszeiten und -Bedingungen, sind aus Sicht von Hoffmann allerdings gar nicht so viele neue Arbeitsschutz-Regelungen nötig: „Es wäre ja schon viel gewonnen, wenn bestehende Regeln wirklich konsequent eingehalten würden.“ Das gelte für eine flächendeckende Arbeitszeiterfassung ebenso wie für eine regelmäßige Beurteilung von Gefahren für Arbeitnehmer*innen am Arbeitsplatz. „Klar ist“, so Hoffmann, „Arbeitsschutz endet nicht am Werkstor.“

Verantwortung trügen Arbeitgeber*innen für ihre Mitarbeiter*innen innerhalb und außerhalb der Betriebsstätte – auch jetzt schon. „Damit die Arbeitgeber auch an diese Verantwortung erinnert werden, muss das Arbeitsschutzkontrollgesetz von Hubertus Heil durch die einzelnen Bundesländer mit Leben gefüllt werden“, appelliert Hoffmann – damit vor Ort gleiche Spielregeln für alle durchgesetzt würden. Der DGB-Boss kündigt bereits an: „Die Gewerkschaften werden ganz genau hinschauen und die Umsetzung der Mindestquote für Besichtigungen eng begleiten.“

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