Der neue DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann fordert eine Debatte über den Wert der Arbeit, die nicht nur unter betriebswirtschaftlichen Aspekten geführt wird.
Es geht um die Arbeit der Zukunft, um die Gute Arbeit, um eine humane Arbeitsgestaltung. Reiner Hoffmann skizziert am Tag nach seiner Wahl zum neuen DGB-Vorsitzenden Leitlinien seiner gewerkschaftlichen Arbeit für die kommenden vier Jahre.
Ziel müsse sein, eine „neue Ordnung der Arbeit“ durchzusetzen, sagt er am Dienstag vor den Delegierten des 20. DGB-Bundeskongresses in Berlin. Nicht der Markt, sondern der Mensch müsse wieder in den Mittelpunkt gestellt werden. Der Wert der Arbeit dürfe nicht nur nach betriebswirtschaftlichen Kostenberechnungen bemessen werden, erklärt der gebürtige Wuppertaler. „Geiz ist eben nicht geil, sondern töricht und unverantwortlich,“ so Hoffmann. Denn Arbeit sei mehr als eine Ware, fügt er hinzu. „Sie ist identitätsstiftend und konstitutiv für den Zusammenhalt in unserem Land.“
Neue Wege in der Arbeitszeitpolitik
Mit Blick auf die Arbeitsbedingungen der Zukunft fordert Hoffmann neue Wege in der Arbeitszeitpolitik. „Die Menschen wollen ihre Lebensarbeitszeit gestalten“, sagt er. Sie wollten entscheiden, wann sie Zeit für Kinder, Eltern oder für sich selbst brauchen. Und sie wollten entscheiden, wie lange sie arbeiten. Die Entscheidungen müssten freiwillig sein, so Hoffmann, „und ein sicheres Rentenniveau für alle garantieren“.
Dabei müssten sich auch die Gewerkschaften von ihrem „Modell des männlichen Familienernährers in Vollzeit“ verabschieden, räumte Hoffmann selbstkritisch ein. „Beide Geschlechter müssen die gleichen Rechte und Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt haben.“
Zur Guten Arbeit und zum Guten Leben gehören für Hoffmann in erster Linie vernünftige Tarifverträge. „Das ist das Kerngeschäft der Gewerkschaften“, sagt der 58-Jährige. „Wir wollen mehr Menschen, die nach anständigen Tarifen bezahlt werden. Ein Mindestlohn reicht da nicht aus!“
Mehr betriebliche Mitbestimmung in Europa
In diesem Zusammenhang hebt Hoffmann die Arbeit der rund 180.000 Betriebsräte in Deutschland hervor. Durch die Betriebsräte würden Arbeitnehmer zu Bürgern in den Betrieben, erklärt er. Die betriebliche Mitbestimmung stabilisiere unsere Demokratie, so Hoffmann, der eine Offensive fordert, um die Mitbestimmung in Betrieben und Unternehmen weiter auszubauen. Dafür wolle er nicht nur in Deutschland, sondern auf europäischer Ebene kämpfen.
Und kämpfen will er auch für ein weltoffenes und solidarisches Europa. Im Süden Europas kämpften die Länder mit der größten Krise der Nachkriegszeit. 20 Millionen Menschen seien ohne Arbeit, davon 50 Prozent junge Menschen. Ein Skandal, sagt Hoffmann und kritisiert die Bundesregierung für ihren Kurs der Sparpolitik. Am Ende seiner Rede hebt Hoffmann die Bedeutung der anstehenden Europawahl hervor. „Wir wollen ein anderes Europa“, erklärt er. Eines, in dem soziale Grundrechte wichtiger seien als die wirtschaftliche Freiheit des Kapitals, fügt er hinzu und endet mit dem Appell, Europa bei den Wahlen 25. Mai nicht den Rechtspopulisten zu überlassen.
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.