Hendricks: Umzug nach Berlin soll Regieren effizienter machen
Dirk Bleicker
Frau Hendricks, seit den 1990er Jahren haben alle Bundesministerien sowohl einen Dienstsitz in Berlin als auch in Bonn. Warum wollen Sie das jetzt ändern?
Nach dem Berlin/Bonn-Gesetz von 1994 soll mehr als die Hälfte aller Arbeitsplätze der Regierung in Bonn sein. Das ist aber schon seit 2008 nicht mehr der Fall. Schon lange tendieren Bundesministerien dazu, strategisch bedeutsame Aufgaben immer stärker in Berlin zu konzentrieren und Personal aus Bonn in diese Richtung zu verlagern. In Bonn nennt man das „Rutschbahneffekt“. Diesen völlig ungeordneten Prozess will ich in geordnete Bahnen lenken. Wir wollen in Gesprächen mit allen Beteiligten in Bonn, in der Region, im Land und mit den Bundesministerien feststellen, was einerseits nötig ist für vernünftiges ministerielles Handeln in der Bundeshauptstadt Berlin, andererseits was erforderlich ist, um die Aufgaben Bonns als Bundesstadt auf Dauer zu sichern.
Wird die Regierungsarbeit besser, wenn die Regierung nicht auf zwei Standorte verteilt ist?
Ich rechne mit Effizienzgewinnen. Es wäre zum Beispiel einfacher, die Zusammenarbeit mit dem Parlament so zu organisieren, dass die Abgeordneten zu jeder Zeit alle Ansprechpartner in Berlin haben, die sie für ihre Beratungen brauchen. Und darauf haben die Parlamentarier ein Anrecht.
Welche Zukunft hat das Berlin/Bonn-Gesetz, das in vielen Bereichen bereits nicht mehr erfüllt wird?
Im Moment geht es nicht um Gesetzesänderungen. Wir stehen am Anfang eines Prozesses, an dessen Ende vielleicht solche Entscheidungen stehen mögen. Jetzt geht es erstmal um eine solide Bestandsaufnahme mit allen Beteiligten auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene. In der zweiten Hälfte des nächsten Jahres will ich dem Kabinett einen umfassenden Statusbericht zum Thema „Berlin/Bonn“ und zum künftigen Umgang mit der Aufgabenteilung zwischen Berlin und Bonn vorlegen. Auf dessen Basis und aus den Erkenntnissen, die ich in den Abstimmungsgesprächen gewonnen habe, werden wir dann Eckpunkte für eine künftige Berlin/Bonn-Struktur und Maßnahmenvorschläge erarbeiten. Und dann erst wird eine Entscheidung möglich sein, ob das Berlin/Bonn-Gesetz geändert werden soll oder nicht.
Was bedeuteten ihre Pläne für die beiden Städte Berlin und Bonn?
Berlin hat die Aufgabe der Bundeshauptstadt, Bonn die der Bundesstadt. Beide Städte sollen in ihrer jeweiligen Funktion gestärkt werden. Bonn soll darüber hinaus als UN-Standort gestärkt werden. Und es sollen auch weiterhin bedeutsame Bundeseinrichtungen in Bonn bleiben. Mir ist wichtig, dass wir wieder Planungssicherheit schaffen und dauerhaft sichern – für alle Beteiligten an den beiden Standorten. Wir werden ein besonderes Augenmerk auf die berechtigten Belange der Bonner Ministeriumsbeschäftigten legen und sozialverträgliche Lösungen finden.
Bisher haben alle Forderungen nach einer Verlegung von Ministerien vom Rhein an die Spree in Nordrhein-Westfalen Ablehnung und Protest ausgelöst. Ihr Vorschlag überraschender Weise nicht. Ist er mit dem Land NRW und der Stadt Bonn abgesprochen?
Wir haben bisher rein informelle Gespräche geführt, mit der Stadt Bonn und den Landesregierungen von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Es sind bisher jedoch keinerlei Absprachen getroffen worden.
Es hat ebenfalls überrascht, dass eine Bundesministerin aus NRW diesen Vorschlag macht, Ihre Vorgänger aus NRW haben sich oft als Interessenvertreter Bonns verstanden. Sie sehen Ihre Rolle anders?
Ob sich meine Vorgänger in dieser Rolle gesehen haben oder ob sie sich einfach nur nicht um das Thema gekümmert haben, weiß ich nicht. Ich sehe meine Aufgabe als Berlin/Bonn-Beauftragte darin, mich um das Thema zu kümmern und nicht so zu tun, als hätte ich hier keine Verantwortung.
Im Jahr der Hauptstadtentscheidung 1991 waren Sie für Bonn als Sitz von Parlament und Regierung. Wann haben Sie Ihre Meinung geändert?
Das weiß ich gar nicht mehr so genau. Damals waren die Sozialdemokraten aus NRW, an der Spitze Ministerpräsident Johannes Rau, mehrheitlich für Bonn. Das kann man auch gut verstehen. Mittlerweile hat sich der Umzug nach Berlin als richtig herausgestellt. Berlin ist heute die unumstrittene Hauptstadt und damit auch ein Symbol für die gelungene Einheit unseres Landes.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat Ihnen seine Unterstützung in der nun beginnenden Umzugsdebatte zugesichert. Welche Position haben denn die Kanzlerin und das Kabinett in dieser Frage?
Ich habe informelle Gespräche mit Kabinettskollegen geführt. Das Kabinett wird sich zu gegebener Zeit mit dem Thema befassen.