Inland

Gleiche Honorare für gleiche Leistung

von Vera Rosigkeit · 4. April 2008

Wir benötigen "eine einheitliche Honorarordnung, die für gesetzlich wie privat Versicherte gleichermaßen gilt", erklärte die stellvertretende Parteivorsitzende Andrea Nahles am Donnerstag der Nachrichtenagentur Reuters in Berlin. Davon würden vor allem die Ärzte profitieren, die viele oder nahezu ausschließlich gesetzlich Versicherte behandelten, zum Beispiel in sozialen Brennpunktvierteln und in den neuen Bundesländern. Gesundheitsexperte Karl Lauterbach unterstützte diese Forderung. Es müsse über die Vergütung von Leistungen für Privatpatienten mit dem Ziel geredet werden, dass am Ende ein gemeinsames Abrechnungssystem stehe. Damit würden die Anreize zur Bevorzugung von Privatversicherten abgeschafft: "Nur so ist zu verhindern, dass wir im deutschen Gesundheitssystem amerikanische Verhältnisse bekommen", sagte Lauterbach Reuters.

Kassenpatienten warten länger

Laut einer am Dienstag vorgestellten Studie der Universität Köln verdienen niedergelassene Mediziner bei der Behandlung eines Privatpatienten zwischen 20 und 35 Prozent mehr als bei Kassenpatienten. Das wiederum hat zur Folge, dass Kassenpatienten im Durchschnitt dreimal so lange auf einen Facharzttermin warten als Privatversicherte.

"Zwei-Klassen-Medizin"

Karl Lauterbach, Direktor des Instituts, hatte dies als "Spitze des Eisbergs eines Zwei-Klassen-Systems in der medizinischen Versorgung" bezeichnet. Er hatte bereits im vergangenen Jahr die "Zweiklassenmedizin" im deutschen Gesundheitssystem kritisiert. Während beispielsweise der Zugang zu einem Spezialisten bei einem AOK-Versicherten gegen Null tendiere, könne ein Spitzenarzt zusätzlich dadurch Geld verdienen, wenn er "Trivialeinsätze" an Privatversicherten durchführe. Auf diese Einnahmen könne aber auch eine Klinik nicht verzichten. Ein Kollege, der die Zweiklassenmedizin ablehne, werde so unfreiwillig "eine wirtschaftliche Gefahr für das ganze System."

Quelle: Reuers; Karl Lauterbach: Der Zweiklassenstaat. Wie die Priviligierten Deutschland ruinieren. Rowohlt, Berlin (Juni 2007), 208 Seiten, ISBN-13: 978-3871345791, 14,90 Euro

Foto: pixelio.de

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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