Wir benötigen "eine einheitliche Honorarordnung, die für gesetzlich wie privat Versicherte gleichermaßen gilt", erklärte die stellvertretende Parteivorsitzende Andrea Nahles am Donnerstag der
Nachrichtenagentur Reuters in Berlin. Davon würden vor allem die Ärzte profitieren, die viele oder nahezu ausschließlich gesetzlich Versicherte behandelten, zum Beispiel in sozialen
Brennpunktvierteln und in den neuen Bundesländern. Gesundheitsexperte Karl Lauterbach unterstützte diese Forderung. Es müsse über die Vergütung von Leistungen für Privatpatienten mit dem Ziel
geredet werden, dass am Ende ein gemeinsames Abrechnungssystem stehe. Damit würden die Anreize zur Bevorzugung von Privatversicherten abgeschafft: "Nur so ist zu verhindern, dass wir im deutschen
Gesundheitssystem amerikanische Verhältnisse bekommen", sagte Lauterbach Reuters.
Kassenpatienten warten länger
Laut einer am Dienstag vorgestellten Studie der Universität Köln verdienen niedergelassene Mediziner bei der Behandlung eines Privatpatienten zwischen 20 und 35 Prozent mehr als bei
Kassenpatienten. Das wiederum hat zur Folge, dass Kassenpatienten im Durchschnitt dreimal so lange auf einen Facharzttermin warten als Privatversicherte.
"Zwei-Klassen-Medizin"
Karl Lauterbach, Direktor des Instituts, hatte dies als "Spitze des Eisbergs eines Zwei-Klassen-Systems in der medizinischen Versorgung" bezeichnet. Er hatte bereits im vergangenen Jahr die
"Zweiklassenmedizin" im deutschen Gesundheitssystem kritisiert. Während beispielsweise der Zugang zu einem Spezialisten bei einem AOK-Versicherten gegen Null tendiere, könne ein Spitzenarzt
zusätzlich dadurch Geld verdienen, wenn er "Trivialeinsätze" an Privatversicherten durchführe. Auf diese Einnahmen könne aber auch eine Klinik nicht verzichten. Ein Kollege, der die
Zweiklassenmedizin ablehne, werde so unfreiwillig "eine wirtschaftliche Gefahr für das ganze System."
Quelle: Reuers; Karl Lauterbach:
Der Zweiklassenstaat. Wie die Priviligierten Deutschland ruinieren. Rowohlt, Berlin (Juni 2007), 208 Seiten, ISBN-13: 978-3871345791, 14,90
Euro
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hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.