Gelebte Solidarität mit den Geflüchteten
Nach dem Germanistik-Seminar sitzen wir noch in einer kleinen Raucher*innenrunde, fröstelnd, aber mit warmem Kaffee vor dem IG Farben-Haus, dem Hauptgebäude des Campus der Goethe-Uni. Gerade ging es noch um die Frage, welchen Umfang die Hausarbeit haben muss, da schwenkt das Thema um. „Sagt mal, finden die Sportkurse jetzt eigentlich statt?", fragt eine Kommilitonin. „Ne, ich glaube, da sind immer noch Flüchtlinge untergebracht, in den Uni-Turnhallen.“, antwortet ein anderer. „Hmm, doof. Wie findet ihr das?“, erwidert die Kommilitonin, die gefragt hatte.
Es entsteht eine Diskussion. Und während ich mich innerlich schon darauf vorbereite, gegen Vorurteile und in meinen Augen problematische Äußerungen argumentieren zu müssen, nimmt das Gespräch eine für mich überraschende Wende: Wir sind uns einig. Darin, dass die Sportkurse ja wohl noch warten können und darin, dass es richtig ist, dass Geflüchtete in den Turnhallen unterkommen. Einig sogar darin, dass die Unterbringung Geflüchteter in solchen Sammelunterkünften aber eigentlich einen untragbarer Zustand darstellt und dass sie ebenso ein Anrecht auf Wohnraum haben, wie alle anderen auch.
Zugang zu Bildung unkompliziert ermöglichen
Über kein Thema wird derzeit in Europa und in der Bundesrepublik so viel diskutiert wie über Geflüchtete. Ob am Arbeitsplatz, unter Freund*innen – oder eben auch auf dem Campus. Gerade den Hochschulen kommt eine wichtige Rolle zu, wenn es darum geht, Geflüchtete willkommen zu heißen. Bildung ist der Schlüssel zu gesellschaftlicher Teilhabe. Der Schlüssel dafür, sich in dieser Gesellschaft ein selbstbestimmtes Leben aufzubauen. Statt auf die Ängste so genannter „besorgter Bürger*innen“ einzugehen, sollte es in der Politik im Zentrum stehen, Geflüchteten den Zugang zu Bildung und ihren Institutionen schnell und unkompliziert zu ermöglichen. Merkels Credo „Wir schaffen das“ verkommt endgültig zur hohlen Phrase, wenn das nicht passiert.
In Berlin zum Beispiel gab es einfach ein pauschales Studierverbot für Geflüchtete. Dieses Verbot existierte ohne jeglichen Grund. Inzwischen wurde es - auf Initiative von Studierenden, der Juso-Hochschulgruppen und der SPD - aufgehoben. Dennoch zeigt auch dieses Beispiel, wie weit der Weg zu einem flächendeckenden, unkomplizierten Bildungszugang für Geflüchtete noch ist.
Engagement darf politisches Handeln nicht ersetzen
Unter Studierenden erfahre ich vor allem eines: Gelebte Solidarität. Viele Kommiliton*innen wollen helfen und sind in der Geflüchtetenhilfe aktiv. Sie machen Hausaufgabenbetreuung, sind Sprachpat*innen oder organisieren Veranstaltungen. Doch das Engagement der Zivilgesellschaft, das es hoch zu schätzen gilt, darf politisches Handeln und vor allem dringend notwendige asylpolitische Veränderungen nicht ersetzen.
Es ist erfreulich, dass viele Hochschulen Gasthörer*innenschaften für Geflüchtete anbieten. Es muss aber vielmehr darum gehen, internationale Abschlüsse anzuerkennen und einen Zugang zum normalen Studium, dass auch das Recht auf das Ablegen von Prüfungen und Sammeln von Credit Points beinhaltet, zu schaffen. Im Zuge dessen muss für alle Geflüchteten ein unmittelbarer Zugang zu Sprachkursen und Qualifizierungen sichergestellt werden. Dass Geflüchtete an den Kosten für Integrationskurse beteiligt werden sollen, finde ich in diesem Zusammenhang beschämend. Und es ist Hohn, wenn Bildung im gleichen Zuge als elementar bezeichnet wird. Denn Geflüchtete müssen sich nun im Zweifelsfall entscheiden: Essen oder Bildung.
Es muss sich also vieles ändern. Ich bin froh zu wissen, dass das zumindest viele Studierende auch so sehen. So wie meine Kommiliton*innen aus dem Germanistik-Seminar.
studiert Germanistik und Geschichte an der Goethe-Uni in Frankfurt und ist Mitglied im Bundesvorstand der Juso-Hochschulgruppen.