Auch für 2012 gilt, was im abgelaufenen Jahr deutlich wurde und manche Zyniker verwundern mag: Menschen sind bereit ihr Leben einzusetzen, um die Freiheit zu erringen. Die Potentaten Arabiens wurden nach blutigen Kämpfen gestürzt. Ob es sich um Revolutionen handelte, wird die Zukunft erweisen. Nicht alle, die einen Wechsel des politischen Systems erfochten, wollen Freiheit in unserem Verständnis. Der fundamentalistische Islam strebt die Einführung der Scharia an, nicht eine westlich geprägte Demokratie.
Die USA als Führungsmacht des Westens wirken wie ein gefesselter Riese. Die Fesseln haben sie sich selbst angelegt. Ein schier zügelloser Kapitalismus, Konsum um fast jeden Preis und militärischer Interventionismus schreiten ständig fort. Die Wahl Barack Obamas vor drei Jahren schien eine Wende, eine Ära des Aufbruchs, der sozialen Gerechtigkeit und des Friedens einzuleiten. Doch der Präsident enttäuschte allzu viele Hoffnungen. Obama erwies sich als entscheidungsschwach.
Um seinen Patriotismus unter Beweis zu stellen, weitete er das kriegerische Engagement in Afghanistan aus. Das kostet Unsummen, die für Sozialprogramme und die Konsolidierung des Haushalts fehlen. Die Republikaner blockieren Steuererhöhungen für Besserverdienende. Die USA werden ebenso von unmäßigen Staatsschulden geplagt wie viele EU-Staaten. Auf diese Weise gerät Amerika in zunehmende Abhängigkeit vom kapitalokommunistischen China. 60 Prozent des US-Außenhandels werden mit Pazifikstaaten abgewickelt. Europa wird an den Rand gedrängt.
Im Wahljahr 2012 sind die USA zu keinen strategischen Entscheidungen fähig. Das fiskalische Rumwursteln wird weitergehen. Außenpolitisch wird Obama wie bislang weiter lavieren. Die unsinnige Militärintervention in Afghanistan wird weitergehen. Das heißt: Europa, speziell die EU, muss endlich selbständig werden und einheitlich handeln. Wir brauchen eine gemeinsame Außen-, Verteidigungs- und Finanzpolitik. Das wird Deutschland noch mehr kosten. Doch wir haben keine Alternative. Deutschland ist im Herzen Europas gelegen. Wir sollten Solidität vorleben, doch nicht besserwisserisch zu verkünden suchen.
ist ein deutsch-israelischer Schriftsteller, Publizist, Politologe und Zeithistoriker.