Inland

„Frauen traue ich alles zu“

von Vera Rosigkeit · 5. März 2014

Am Internationalen Frauentag sollten politische Forderungen für die Gleichstellung im Mittelpunkt stehen, sagt die Juso-Bundesvorsitzende Johanna Uekermann.

vorwaerts: Zum diesjährigen Internationalen Frauentag bieten die Jusos ein Seminar für Genossinnen an. Ist es das erste Mal, dass ein Seminar zum Frauentag stattfindet?

Johanna Uekermann: Wir bieten öfter Seminare für Frauen an, gerade auch in den Landesverbänden oder Bezirken. Auf Bundesebene ist es das erste Mal, dass wir ein Seminar mit dem Internationalen Frauentag verbunden haben. So bekommen junge Frauen die Möglichkeit sich zu vernetzen und gemeinsam den Internationalen Frauentag in unserem Bündnis mit der Demo in Berlin zu begehen.

Gibt es ein zentrales Thema?

Es gibt verschiedene Themen. Wir wollen uns über Frauen-Projekte in der SPD austauschen und best-practise Beispiele sammeln. Wir wollen aber auch einen Rückblick auf den Wahlkampf werfen und danach fragen, welche Auswirkungen es auf Frauen hat, dass wir – nicht zum ersten Mal – mit einer männlichen Parteispitze bzw. Troika aufgetreten sind.

Ist es dadurch schwieriger, junge Frauen zum Mitmachen zu motivieren?

Ich glaube, es ist ein Thema, das alle Frauen bewegt, sowohl bei den Jusos als auch bei der SPD. Wir müssen mehr Frauen für die Mitarbeit begeistern, weil unsere Mitgliedschaft nach wie vor sehr männlich ist. Die SPD und auch die Jusos sind nur zu einem Drittel weiblich. Und wir müssen nach außen sichtbarer auftreten mit den tollen Frauen, die wir haben. Schaue ich in Richtung Regierung ist uns das gut gelungen. Da sind wir paritätisch vertreten und haben starke Frauen in Ressorts, die wichtig sind. Wenn ich mir aber die Parteigremien oder die ersten Reihen der SPD ansehe, gibt es noch Luft nach oben.

Wie können jüngere Frauen begeistert werden, mehr zu machen? 

Diese Frage ist nicht einfach zu beantworten. Wo fängt Engagement an? Engagement fängt vor Ort an. Das heißt, in den Ortsvereinen und in den Unterbezirken.

In Ortsvereinen, wo der Altersdurchschnitt hoch ist, wo sich sehr viele Männer treffen, fehlt es manchmal an Sensibilität dafür, eine Sitzung so zu gestalten, dass alle gleich teilhaben können. Da kann eine Redeliste helfen oder auch Kinderbetreuung. Ich kann auch darauf achten, dass Sitzungen nicht erst abends um acht stattfinden und bis um elf in die Nacht gehen.

Gerade jungen Frauen fehlt manchmal das Selbstvertrauen, höhere Ämter zu übernehmen. Dafür gibt es aber gar keinen Grund. Ich traue ihnen alles zu, weil sie frische Ideen mitbringen und man viel ohnehin erst lernen kann, wenn man die Arbeit macht. Vor der Verantwortung braucht man keine Angst zu haben. Es hängt aber manchmal auch mit dem Verhalten älterer Parteimitglieder zusammen, die dann junge Frauen explizit sehr gönnerhaft behandeln, sie nicht ernst nehmen und somit die Motivation schwindet sich zu engagieren.

Ist Feminismus bei den Jusos präsent?

Ja! Wir Jusos versuchen bei allen gesellschaftlichen Fragestellungen die Perspektive von Frauen mit zu diskutieren. Wie einen „lila Faden“, der sich durch unsere Arbeit zieht. Denn trotz der Erfolge der Frauenbewegung ist es immer noch ein langer Weg bis Frauen in der Gesellschaft tatsächlich gleichgestellt sind und selbstbestimmt entscheiden können, wie sie ihr Leben leben wollen. Frauen sind diejenigen, die zum Beispiel auf dem Arbeitsmarkt immer noch benachteiligt sind – zwei Drittel der MinijobberInnen sind Frauen, 80 Prozent der Beschäftigten in Teilzeitverhältnissen sind Frauen. Frauen sind sehr stark von Altersarmut betroffen und werden immer noch als Risiko für den Arbeitgeber gesehen, weil sie ja schwanger werden könnten. Deshalb sollte die Elternzeit paritätisch aufgeteilt werden.

In der Partei ist es wichtig, dass mehr Frauen in die erste Reihe kommen, um sichtbarer zu sein und in allen Gremien paritätisch vertreten zu sein. Gleiches gilt für den gesellschaftlichen Bereich, wenn es um die Quoten in Aufsichtsräten und Vorständen geht, um auch dort die Repräsentation von Frauen zu erhöhen.

Werden Frauenthemen auch international diskutiert?

Absolut. Internationale Arbeit hat einen hohen Stellenwert bei uns Jusos. Zum Beispiel gibt es gerade die Diskussion in Spanien, dass das Abtreibungsgesetz verschärft werden soll. Gemeinsam mit den Falken haben wir ein Solidaritätsstatement verfasst und unseren Genossinnen in Spanien zukommen lassen, um zu zeigen, dass wir im Kampf gegen die konservative Regierung an ihrer Seite sind.

Stichwort Europa: Was ist das Konzept der geplanten Juso-Bus-Tour im Rahmen der Europawahl?

Die Bus-Tour ist einen Monat lang geplant und wir werden Orte anfahren, wo vor allem junge Menschen präsent sind – Konzerte, Festivals, Fußballspiele und andere Events. Unsere Erfahrungen von der Bus-Tour zur Bundestagswahl haben gezeigt, dass wir dadurch viele Leute erreichen können. Wir wollen den europäischen Gedanken transportieren und an unseren Außengrenzen Halt machen, zum Beispiel in Trier und Aachen oder im Dreiländereck in Bayern. 

Wird das Thema Frauen und Europa diskutiert?

Frauen sind von der aktuellen Krise besonders betroffen – auch weil sie vorher oftmals schon in prekären Beschäftigungsverhältnissen waren. Und Jobs im Dienstleistungsbereich, die hauptsächlich von Frauen gemacht werden fallen durch die Kürzungen weg. Aktuell haben mich die Meldungen sehr erschrocken, dass die Säuglingssterblichkeit in Griechenland aufgrund der Sparpolitik um 43 Prozent zugenommen haben soll. In Spanien sind viele gut ausgebildete Frauen arbeitslos. Das klingt immer so abstrakt. Aber wenn wir konkret mit den Leuten sprechen, entfaltet das immer eine ganze andere Wirkung. Wenn dir eine Frau gegenübersitzt und erzählt, sie habe zwei Uni-Abschlüsse und wohne jetzt wieder bei den Eltern und wisse nicht, wie es die nächsten fünf Jahre weitergeht. Spätestens da weiß man: es muss sich was ändern in Europa. Wir brauchen Perspektiven statt Zukunftsangst!

Das Seminar um den Internationalen Frauentag soll zeigen, dass Feminismus nicht veraltet, sondern auch in der heutigen Zeit hochaktuell ist. Gemeinsam mit vielen anderen Organisationen und Verbänden, Gewerkschaften und Parteien rufen wir Jusos zur bundesweiten Demonstration unter dem Motto „Still loving feminism“ in Berlin auf. Es wird Zeit, dass wir den Internationalen Frauentag wieder als das nutzen, was er ursprünglich war: ein Tag, an dem politische Forderungen für die Gleichstellung im Mittelpunkt stehen. Ich werde am 8. März auf der Straße sein und für unsere Positionen demonstrieren.


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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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