Die erschütternde Mordserie des so genannten „Nationalsozialistischen Untergrunds“ hat erhebliche Defizite bei der Arbeit von Verfassungsschutz und Sicherheitsbehörden offenbart. Nun präsentiert die SPD ihre Reformvorschläge. Dabei steht auch die Sensibilisierung für rechte Straftaten im Fokus.
„Wir müssen den Verfassungsschutz wieder fit machen für den Schutz unserer Demokratie!“, stellte Thomas Oppermann, Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, bei der Vorstellung der Reformvorschläge seiner Partei klar. Dafür brauche es vor allem einen Mentalitätswechsel. „Die Behörden der Länder haben im Fall der Neonazi-Mordserie in alle Richtungen ermittelt – außer ins rechte Milieu“, ergänzte Eva Högl, Sprecherin des 2. Untersuchungsausschusses ‚Terrorgruppe NSU’. „Dies weist auf eine Einstellung hin, die wir dringend korrigieren müssen“, ist sie überzeugt.
Oppermann will die ‚Abteilung 2 (Rechtsextremismus)’ nach Berlin verlagern, ebenso das ‚Gemeinsame Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus’. „Wir hoffen auf einen frischen Wind, der durch die Behörde geht“, erklärte Michael Hartmann, innenpolitischer Sprecher der SDP-Fraktion.
Zentralisierung und Koordination
Auch der Einsatz von V-Personen muss nach neuen Kriterien erfolgen. Hierfür soll eine gesetzliche Grundlage geschaffen werden, die eine Überprüfung möglicher V-Leute in Hinblick auf ihren kriminellen Hintergrund möglich macht. Ab einem gewissen Umfang der Tätigkeit müsse der Einsatz von V-Personen zudem durch die G-10-Kommission des Bundestages geprüft werden, forderte Oppermann. Auch eine gesetzliche Verpflichtung zur Quellenkoordinierung sei dringend notwendig. „Die Eitelkeiten der einzelnen Behörden müssen unterbunden werden. Es kann nicht sein, dass Bund und Länder V-Leute im Einsatz haben, von denen sie untereinander nichts wissen“, so Högl.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz muss eine stärkere Funktion als Zentralstelle zukommen. Es soll die Kompetenz erhalten, im Falle von gewaltbezogenem Extremismus selbstständig Informationen in den Ländern zu sammeln. Auch der Informationsfluss zu Generalbundesanwalt muss konstant gehalten werden. Nur so könne er auf gesicherter Tatsachengrundlage entscheiden, ob seine Verfolgungszuständigkeit bestehe. „Föderalismus sichert Freiheit“, stellte Oppermann klar. „Aber die Zusammenarbeit zwischen den Behörden der Länder und denen des Bundes muss verbessert werden.“ So sollen auch die Landesämter zum Informationsaustausch untereinander verpflichtet werden.
Stärkung der parlamentarischen Kontrolle
Über diese strukturellen Veränderungen des Verfassungsschutzes hinaus steht für die SPD eine effizientere parlamentarische Kontrolle der Behörde im Mittelpunkt. Die Überprüfung soll in regelmäßigen Zeitabständen erfolgen und nicht nur punktuell. Dafür müsse das Kontrollgremium mit einer wesentlich höheren Zahl an Mitarbeitern ausgestattet werden, als dies momentan der Fall sei. „Wir nehmen uns hier die USA zum Vorbild, wo beide Kontrollausschüsse in Senat und Repräsentantenhaus zusammen hundert Mitarbeiter beschäftigen. In Deutschland sind es weniger als zehn“, so Oppermann. Hartmann brachte in diesem Zusammenhang den Mangel an EDV-Experten in deutschen Sicherheitsbehörden zur Sprache. „Die Kompetenz zur Netzrecherche gehört zu den zentralen Instrumenten der Ermittlungsarbeit und muss dringend optimiert werden.“
Die SPD bekennt sich klar zu Verfassungsschutz als Institution. „In seinem erfolgreichen Kampf gegen den islamistischen Terrorismus hat das Bundesamt für Verfassungsschutz seine Bedeutsamkeit unter Beweis gestellt. Trotzdem bedarf es einer grundlegenden inneren Reform, um die Behörde für Gefahren aus allen demokratiefeindlichen Richtungen zu sensibilisieren“, so Oppermann.
Das Video zur Pressekonferenz finden Sie hier:
studiert Germanistik und Buchwissenschaften in Mainz. Im Sommer 2012 absolvierte sie ein Praktikum beim vorwärts.