Juncker ist Präsident der Eurogruppe und Luxemburgs Ministerpräsident - und Christdemokrat. Seine europapolitischen Vorstellungen sind aber erheblich näher an denen von Martin Schulz und Sigmar Gabriel als an denen von Angela Merkel.
Juncker zur neoliberalen Staatsverachtung:"Regieren ist angesagt." Den "Wirtschaftgurus dieser Welt" sei die Politik allzu lange und zu oft nachgelaufen - mit verhängnisvollen Folgen. Launig: "Ich bin Stolz darauf, Premierminister zu sein - sogar eines Großherzogtums."
Juncker zur sozialen Gerechtigkeit: "Ich weiß nicht, was soziale Gerechtigkeit ist, aber ich weiß, was sozial ungerecht ist: dass die, die uns in die Finanzkrise geführt haben, schon wieder lustige Feste feiern." Deshalb rufe er den "Obermuftis der Finanzbranche" zu: Hört auf mit dem Unsinn der Boni! Und als hätte er den neuen vorwärts gelesen: "Wir müssen den eigentlichen Wert der Arbeit wieder hochhalten." Wer hart arbeite, müsse von seinem Lohn auch leben können. Deshalb sei er für einen gesetzlichen Mindestlohn. Gerade die starken Staaten muessten sich das erlauben können.
"Dezidiert" sei er für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer - und nicht minder entschieden für die Schaffung einer europäischen Ratingagentur - "in der Nähe der Europäischen Zentralbank". Denn es gehe doch nicht an, dass die Agenturen in den USA, die Schrottpapieren der Investmentbanken erstklassige Bewertungen gegeben haben (AAA), jetzt europäische Staaten zu Pleitenkandidaten erklären. Juncker forderte die Deutschen auf, "nicht hochnäsig über die Griechen zu reden." Europa sei mehr als ein Geben und Nehmen.
Den gleichen Ton hatte zuvor auch Sigmar Gabriel angeschlagen. Der SPD-Vorsitzende: "Wir bleiben der große Gewinner, wenn wir den Euro verteidigen und anderen in der Eurozone helfen." Europa sei "ein kostbarer Schatz" und "unsere Antwort auf die Globalisierung" . Leider aber steckten die europäischen Institutionen in einer "kräftigen" Legitimationskrise. "Wir brauchen engagierte Debatten über die Zukunft Europas!"
Das gelinge aber nicht, wenn Frau Merkel sich in der Bildzeitung als Eiserne Kanzlerin darstellen lasse, die anderen Staaten erkläre, sie hätten sich am deutschen Vorbild aufzurichten. Gabriel: "Ein verhängnisvolles Bild! " Man dürfe als verantwortungsvoller Politiker mit dem Boulevard kein Bündnis eingehen. Denn der Boulevard habe kein Gedächtnis.
Die Politik müsse auch endlich aufhören, hinter den Märkten, der Atomindustrie und Diktatoren herzulaufen.
Jean-Claude Trichet, der Präsident der Europäischen Zentralbank, setzte sich ebenso wie Gabriel, Juncker und der Vorsitzende der sozialdemokratischen Fraktion im Europaparlament, Martin Schulz, für eine europäische Wirtschaftspolitik ein. Trichet will, dass alle Staaten der Eurozone sich einer strikten fiskalpolitischen Aufsicht unterwerfen und bestraft werden, wenn sie sich zu hoch verschulden. Er zitierte Willy Brandt, der schon 1973 die Schaffung einer europäischen Wirtschaftsregierung gefordert habe.
Ausrichter der Konferenz war die Fraktion der "Progressiven Allianz der Demokraten und Sozialisten im Europäischen Parlament". Sigmar Gabriel wies darauf hin, dass viele Menschen schon deshalb sich in den europäischen Institutionen nicht zurechtfänden, weil dort alles so komplizierte Namen habe.