Inland

EU-Mercosur-Abkommen: Mehr als nur ein Handelsabkommen

Das EU-Mercosur-Abkommen ist auf der Zielgeraden. Damit würde der größte Freihandelsraum der Welt entstehen. Es geht dabei nicht nur um wirtschaftliche Vorteile in Europa und Südamerika.

von Kai Doering · 12. November 2025
Containerschiff im Hamburger Hafen: Die Exporte nach Lateinamerika dürften mit dem Mercosur-Abkommen deutlich zunehmen.

Containerschiff im Hamburger Hafen: Die Exporte nach Lateinamerika dürften mit dem Mercosur-Abkommen deutlich zunehmen.

Die Verhandlungen dauerten 25 Jahre. Bereits 1999 hatten die Gespräche zwischen der Europäischen Union und den lateinamerikanischen Ländern Argentinien, Brasilien, Uruguay und Paraguay über ein Handelsabkommen begonnen. Diese bilden einen gemeinsamen Wirtschaftsblock, Mercosur genannt. Doch erst im vergangenen Dezember wurde eine vorläufige Vereinbarung in Uruguays Hauptstadt Montevideo unterzeichnet. Im September dieses Jahres hat die EU-Kommission den Vertragstext an die Mitgliedstaaten und das Europaparlament geleitet und um deren Zustimmung gebeten.

„Das Abkommen mit den Mercosur-Staaten ermöglicht die Öffnung neuer Märkte, die Diversifizierung von Lieferketten und den regelbasierten Dialog mit gleichgesinnten Partnern“, fasst Bernd Lange die Vorteile aus seiner Sicht zusammen. Der SPD-Abgeordnete ist Vorsitzender des Handelsausschusses des Europaparlaments. „Für Deutschland kann das Mercosur-Abkommen außerdem Exportchancen für Agrarprodukte wie Milch- und Fleischwaren bieten“, ist Lange überzeugt.

Widerstand aus Frankreich

Die EU-Kommission schätzt, dass das Abkommen die jährlichen Exporte aus der Europäischen Union nach Südamerika um bis zu 39 Prozent steigern kann. Das wäre ein Zuwachs von 49 Milliarden Euro im Jahr. Besonders profitieren könnten die Autoindustrie, der Maschinenbau und die Pharmabranche. Nach Angaben der Deutschen Industrie- und Handelskammer exportieren schon jetzt mehr als 8.500 deutsche Betriebe in die Länder des Mercosur, drei Viertel von ihnen sind kleine und mittlere Unternehmen. Bisher seien jedoch 85 Prozent der europäischen Exporte mit Zöllen belegt. Diese sollen mit dem Handelsabkommen wegfallen. Auf diese Weise könnte der größte Freihandelsraum der Welt mit mehr als 715 Millionen Menschen entstehen.

Doch auf dem Weg dahin gibt es noch einige Hürden. So hat Frankreich seinen Widerstand gegen das Abkommen angekündigt. Hier befürchten die Landwirte die Konkurrenz billiger Rindfleischimporte aus Südamerika. Auch die Niederlande, Österreich und Polen gehören zu den eher skeptischen Staaten. Umweltverbände befürchten zudem, dass europäische Standards bei der Verbreitung von Pestiziden abgesenkt und der Amazonas-Wald weiter gerodet werden könnten, um zusätzliche Flächen für die Landwirtschaft zu gewinnen. 

Handelsexperte Bernd Lange sieht das anders. „Das Kapitel über Handel und nachhaltige Entwicklung wurde in den letzten Verhandlungen erheblich nachgebessert. Dabei konnte die EU erreichen, dass das Pariser Klimaschutzabkommen zum Schlüsselelement des Abkommens wird“, sagt er. Die europäischen Gesundheitsstandards und Anforderungen an Lebensmittelsicherheit würden zudem „nicht angetastet“.

Große Hoffnungen in Brasilien

Um die wirtschaftlichen Vorteile des Abkommens schneller nutzen zu können, hat die EU-Kommission den Vertragstext aufgeteilt. Über den Handelsteil entscheidet die Europäische Union allein. Im Rat der Staats- und Regierungschefs reicht eine qualifizierte Mehrheit: 55 Prozent der Mitgliedstaaten, die 65 Prozent der europäischen Bevölkerung repräsentieren, müssen dem Vertag zustimmen. Im Europarlament reicht eine einfache Mehrheit. Den politischen Teil des Abkommens, der etwa Umweltstandards regelt, müssen die Parlamente aller EU-Mitgliedstaaten ratifizieren. Gleiches gilt für die Parlamente von Argentinien, Brasilien, Uruguay und Paraguay.

„Wir möchten ein neues Kapitel in den Handelsbeziehungen mit der EU aufschlagen“, versicherte Brasiliens Botschafter in Deutschland Rodrigo Baena Soares bei einer Veranstaltung Anfang Oktober in Berlin. Das Mercosur-Abkommen sei für sein Land „technologisch und geopolitisch wichtig“ und werde nicht nur die Wirtschaft, sondern „auch den politischen Dialog voranbringen“. 

Der war während der Amtszeit des rechtsgerichteten Präsidenten Jair Bolsonaro ins Stocken geraten und ist erst seit der Amtsübernahme Lula da Silvas 2023 wieder im Aufwind. Allerdings hat in den vergangenen Jahren der Einfluss der USA und Chinas in Lateinamerika deutlich zugenommen. Auch hier könnte das Mercosur-Abkommen ein Gegengewicht bilden. „Mercosur ist ein Teil der Antwort auf neue Herausforderungen“, sagte deshalb die Referatsleiterin für Lateinamerika im Bundeswirtschaftsministerium bei der Veranstaltung in der brasilianischen Botschaft.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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