Im Pariser Cirque d'Hiver haben die europäischen Sozialisten und Sozialdemokraten die heiße Phase ihres Europawahlkampfs eingeläutet. Spitzenkandidat Martin Schulz forderte vor 1600 Zuhörern ein "besseres Europa".
"Der Sieg ist möglich" – das war die Botschaft, die die Sozialdemokraten und Sozialisten bei ihrem Wahlkampfauftakt zur Europawahl verbreiteten. Es war auch der Satz, mit dem Spitzenkandidat Martin Schulz am Donnerstagabend seine halbstündige Ansprache vor 1600 Zuhörern im Pariser Cirque d'Hiver beendete. Und die Anwesenden jubelten ihm zu: Sie wollen ihn als neuen EU-Kommissionspräsidenten und sie wollen auch das neue Europa, das der 58-Jährige SPD-Politiker propagierte. "Lasst uns Europa effizienter, sozialer, transparenter machen", war eine seiner Forderungen.
Denn der Präsident des Europaparlaments zeigte in seiner auf Französisch gehaltenen Rede Verständnis für diejenigen, die von Europa enttäuscht sind: "Die Wirtschaftskrise hat Europa zerstört." Schulz nannte die Zahlen: 26 Millionen Arbeitslose in Europa, 126 Millionen Menschen von Armut bedroht. Und die hohe Jugendarbeitslosigkeit, die er am Beispiel einer jungen Spanierin mit 300 vergeblichen Bewerbungen festmachte. "Die Antwort ist nicht Nein zu Europa, sondern Ja zu einem besseren Europa."
Kampf gegen Sozialdumping und Steuerflucht
Wie dieses bessere Europa aussehen soll, skizzierte Schulz gleich hinterher: Kampf gegen Sozialdumping und Steuerflucht und Bedingungen für mehr Wachstum. Nicht nur Ausgaben reduzieren, sondern auch in die Zukunft investieren, forderte der Sozialdemokrat. Den Stabilitäts- und Wachstumspakt mit seiner Verpflichtung zur Haushaltsdisziplin wollte er jedoch nicht antasten. "Zur Zeit müssen wir mit den Kriterien leben", sagte er in seiner Rede vor der Presse. Ein kleiner Wink an den französischen Sozialistenchef Jean-Christophe Cambadélis, der in seiner Ansprache im Cirque d'Hiver eine Aufweichung der Kriterien gefordert hatte.
Vor Cambadélis hatten bereits der tschechische Regierungschef Bohuslav Sobotka, die spanische Sozialistin Elena Valenciano und französische Europapolitiker Schulz unterstützt. Die Veranstaltung in Paris läutete den Endspurt vor den Europawahlen am 25. Mai ein. Rund 70 Termine warten noch auf Schulz, dem der frühere luxemburgische Regierungschef Jean-Claude Juncker als Kandidat des konservativen Lagers für die Nachfolge von EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso gegenübersteht.
Botschaft an Marine Le Pen
Eine Botschaft gab Schulz auch der französischen Rechtspopulistin Marine Le Pen mit, deren Partei laut Umfragen bei der Europawahl in Frankreich stärkste Kraft werden könnte. "Sie sitzen seit zehn Jahren im Europaparlament und haben keine Bilanz zu verteidigen." Die Chefin der ausländerfeindlichen Front National, die sich einer Debatte mit Schulz im französischen Fernsehen verwehrte, wolle die Europawahl nur für ihre Zwecke instrumentalisieren.
Bei der Wahl des neuen EU-Kommissionspräsidenten soll diesmal zum ersten Mal das Ergebnis der Europawahl berücksichtigt werden. Und die Sozialisten und Sozialdemokraten hoffen auf eine Mehrheit im EU-Parlament. "20 Länder (in Europa) werden heute von der Linken regiert oder mit Beteiligung der Linken", rechnete Schulz seinen Parteikollegen vor. "Die Zeiten, wo wir eine Minderheit in Europa waren, sind vorbei."