Inland

Elektroleihautos sollen Pariser Verkehr entspannen

von Lutz Hermann · 11. Januar 2011
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Die Pariser träumen schon: Es soll wieder ein Vergnügen werden, in der Seinestadt entspannt herumzukurven. Vorbild ist die Einführung von 20.000 Mietfahrrädern "Vélo lib" (vélo libre-service) vor vier Jahren, auf die tausende Geschäftsleute, Touristen und und von öffentlichen Transportmitteln Enttäuschte umgestiegen sind.

Inzwischen gibt es 1500 Leihstationen, auch in der nahen Banlieue. Dem Drahtesel soll nun das saubere 4-Räder-Projekt "Autolib" folgen. Zunächst kommen in diesem Herbst 250 BlueCars auf den Markt mit ebenso vielen Stellplätzen für das Aufladen der Batterie. Im kommenden Jahr sollen es dann über 1.000 blaue Flitzer (3,30 Meter lang, 1, 61 Meter hoch), ab 2016 sogar 3.000 Wagen werden.

2,3 Kubikmeter Ladefläche
Die technischen Daten: Ein Akku basierend auf Lithium-Metall-Polymer-Technik, maximale Motorleistung 50 Kilowatt, Reichweite 250 km bei einer Spitzengeschwindigkeit von 100 st/km. Ob die jemals in der ewig verstopften Stadt gefahren werden kann, ist fraglich. Entwickelt wird der BlueCar vom Mischkonzern Bolloré mit Hilfe des italienischen Karosseriebauers Pininfarina. Er soll 5 Sitze haben, zwei hintere zum Hochklappen mit einer dann freiwerdenden Ladefläche von 2,3 Kubikmeter. Für Umzüge mit kleinen Möbeln und Materialtransport geradezu ideal, schwärmen die Pariser.

Die Vokabel "Revolution im Verkehr" führen die Franzosen gern im Mund. Aber noch überwiegen die Skeptiker. Der Industrielle Bolloré und der Bürgermeister sind zwar auf gutem Wege, "Autolib" einzuführen, doch die Frage wird gestellt, ob das Datenverarbeitungssystem garantieren kann, dass der PKW-Mieter beim Abholen nicht vor leeren und bei der Rückführung vor vollen Stellplätzen steht.

Eine Million Autofahrer täglich
Eine weitere Frage ist der Ausleihpreis. Ein Monatsabonnement soll etwa 12 Euro und jede halbe Stunde Benutzung 5 Euro kosten. Ob der Cityflitzer somit billiger sein wird als ein Taxi wollen die Pariser erst einmal abwarten. So könnte allein der Mietpreis zum Flop des Projekts führen.

Kein Thema ist, dass Paris seinen dichten, schleppenden Verkehr zügig entspannen muss. Obwohl nach einer Statistik 58 Prozent der Pariser keinen Wagen haben, sind täglich über eine Million Autofahrer im Stadtkern unterwegs. 100 bis 200 km Staus sind keine Seltenheit. Verbotszonen wie in der Londoner City sind in Paris nicht geplant.

Blickt man auf die 10 Millionen Einwohner von Groß-Paris, die in der Mitte und in der nahen Banlieue leben, kann sich jeder die tägliche Blechlawine vorstellen. Nun warten die Pariser auf die versprochene "kleine Revolution", für die der Hersteller, die Stadt und nahe Kommunen 200 Mill. Euro hinblättern wollen. Denn die französische Metropole soll doch die erste Weltstadt sein, so Bolloré und Delanoe, die einen "Autolib"-Dienst anbietet.

Autor*in
Lutz Hermann

ist Auslandskorrespondent in Frankreich für verschiedene Tageszeitungen und Autor mehrerer politischer Bücher, u. a. „Willy Brandt – ein politisches Porträt“ (1969).

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