In der aktuellen politischen Diskussion um die Arbeitslosigkeit bei älteren Menschen geht es nicht nur um die längere Bezugsdauer von Arbeitslosengeld 1. Weitere Aspekte sind die zunehmende
Alterung der Gesellschaft durch den demografischen Wandel und die notwendige Entwicklung nachhaltiger Strategien für eine Integration älterer Arbeitnehmer.
Zusammen mit Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft diskutierten Menschen aus der Praxis darüber, wie eine stärkere Teilhabe der Älteren am Arbeitsmarkt gewährleistet werden
kann. Zunächst einmal müsse Alterung als Chance und nicht als Problem gesehen werden, so Uwe Ziegler, Abteilungsleiter Dialog Ostdeutschland der FES. Bernd Buchheit vom Bundesministerium für Arbeit
und Soziales freute sich, dass das Thema endlich "breit und öffentlich" diskutiert würde, denn "wir stehen vor großen, vielleicht dramatischen Veränderungen im Altersaufbau" der Gesellschaft. Diese
Veränderungen fordern mehr Flexibilität und Handlung. Die Politik solle dabei gestalten und Voraussetzungen für eine vorausdenkende und vorsorgende Sozialpolitik schaffen, erklärte Buchheit.
Bessere Chancen am Arbeitsmarkt?
Die Reformen des Arbeitsmarktes seien große Schritte in die richtige Richtung. Das beweisen Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt, die so gut seien wie seit 12 Jahren nicht mehr. Wenn Ältere
arbeitslos würden, wäre das nicht mehr das Ende des Erwerbslebens für diesen Personenkreis, betonte er. Die Programme der Bundesregierung wie die Initiative 50+ oder der Kommunalkombi trügen zur
Verbesserung der Beschäftigungschancen bei, war sich auch Uwe Ziegler sicher.
Aber wie sieht die Realität bei all den schönen Worten aus? Sicher weisen die Statistiken weniger Ältere Arbeitslose aus als noch vor vier Jahren. Allerdings sollte man sich die Bedingungen
dafür genauer anschauen. Viele Ältere müssen zu Löhnen arbeiten, die nicht einmal zum Leben reichen. Oftmals müssen sie zusätzlich noch Leistungen aus ALG II beantragen. Sie müssen Arbeiten
annehmen, die ihren Qualifikationen und Kenntnissen nicht im Geringsten entsprechen.
Sicher, räumte Buchheit später ein, gäbe es Dinge, die nicht außer Acht gelassen werden dürften. Dabei sprach er jedoch Aspekte an, die die wirklichen Probleme nur teilweise lösen können. Zum
Beispiel forderte er einen vernünftigen Gesundheitsschutz für die Arbeitsplatzgestaltung. Auch müsse mehr auf dem Gebiet der Weiterbildung getan werden. Weiterbildung erhöhten die Chancen, im
Arbeitsleben zu verbleiben und sie nützten nicht nur dem Einzelnen, sondern auch den Unternehmen.
Beispiel Niederlande
Dass die Integration älterer Arbeitsloser durchaus klappen kann zeigt das Beispiel Niederlande. Jan Gerrit Schep von der Stiftung StimulanSZ in Den Haag stellte das niederländische Konzept
vor. Die Stiftung unterstützt Kommunen in den Bereich Arbeit, Einkommen, Wohlfahrtspflege und Fürsorge. Die Kommunen tragen die volle Verantwortung - auch finanzielle - für die Reintegration von
Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt. Nach dem Prinzip "Jeder kann was" wird gefördert und gefordert. Übernommen wurde der Ansatz "work first" aus den USA. Dabei wird den Arbeitslosen sofort ein
Arbeitsangebot gemacht. Menschen unter 30 Jahren gar bekommen erst gar keine Sozialhilfe, sondern werden sofort wieder in Arbeit gebracht. Über 150 Kommunen praktizieren "work first" und haben 50
Prozent mehr Abgänge in reguläre Jobs zu verzeichnen. Das Besondere an dem Programm ist, dass es für alle Gruppen gilt und nicht nur für ältere oder Langzeitarbeitslose.
Verantwortung der Unternehmen
Die Politik, so die Bundestagsabgeordnete Gabriele Lösekrug-Möller, müsse sich auf das Wesentliche beschränken und könne nicht alle Probleme allein lösen. Die Maßnahmen der Politik
funktionierten nur, wenn Unternehmen, Gewerkschaften und Verbände mithelfen. Da setzte auch Jürgen Wuttke vom Bundesverband Deutscher Arbeitgeber an. Allerdings wies er darauf hin, dass gesetzliche
Vorgaben nicht verallgemeinerbar seien. Jedes Unternehmen müsse für sich analysieren, welche Maßnahmen die geeignetsten seien. Auch Hans-Jürgen Siebrecht von der Daimler AG warnte vor einer
pauschalen und dogmatischen Behandlung des Themas.
Ursula Engelen-Kefer, Sachverständige der Bundesagentur für Arbeit, fasste die Problematik am Ende noch einmal zusammen. Seit bestimmt 20 Jahren rede man schon über die Arbeitsbedingungen
älterer Arbeitnehmer, aber noch immer bestehe eine große Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis. "Wir haben den Stellenwert älterer Arbeitnehmer für die Gesellschaft nicht erkannt", so
Engelen-Kefer. Würde man nicht alters- sondern alternsgerechte Arbeitsbedingungen schaffen, gäbe es weniger Problemen für diese Gruppe.
Mamke Kühl
0
Kommentare
Noch keine Kommentare