Das Bundesverfassungsgericht hat am Mittwoch die Grundleistungen des Asylbewerberleistungsgesetzes verhandelt. Im Mittelpunkt stand die Frage, wie viel Geld- und Sachleistungen Personen erhalten, die sich nur vorübergehend in Deutschland aufhalten. Die Bundesregierung geriet in Erklärungsnot.
Empfangen wurden die Verhandlungsteilnehmer von Aktivisten von „Pro Asyl“, von den Landesflüchtlingsräten und „Campact“, die mit Transparenten und Flugblättern auf die erniedrigende und beschämende Situation von Asylbewerbern aufmerksam machten. „Es ist eine Schande, dass das Bundesverfassungsgericht einspringen muss, weil die Regierung sich weigert, sozialverantwortlich zu regieren“, sagte Günter Metzges von Campact. Diese „Schande“ drückt sich zum Beispiel so aus: Obwohl es für die Länder, die grundsätzlich für die Versorgung der unter das Asylbewerberleistungsgesetz fallenden Menschen zuständig sind, teurer ist, werden oft nur Sachleistungen, statt Geldleistungen gewährt.
Ferdinand Kirchhof, Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts und Vorsitzender des Ersten Senats, wies in seiner einführenden Stellungnahme daraufhin, dass ein Erwachsener Asylbewerber zur Deckung seines Existenzminimums lediglich den Gegenwert von 220 Euro zugewiesen bekomme, während von Hartz IV-Bezieher eine Regelleistung von 364 Euro erhielten. Bei Kindern ist diese Differenz noch größer, da sie, wenn die Eltern erwerbslos sind, Anspruch auf ein Bildungs- und Teilhabepaket haben.
Allein fiskalpolitische Erwägungen maßgeblich?
Bei Inkrafttreten des Asylbewerberleistungsgesetzes 1993, so Kirchhof, sei dieser klägliche Betrag nicht erklärt, vor allem aber sei er auch niemals geändert worden. „Ich vermute, die Preise sind in den letzten 19 Jahren gestiegen“, resümierte Kirchhof und fügte hinzu, hier sei offensichtlich nach dem Motto vorgegangen worden:, „Ein bisschen Hunger, dann gehen die schon.“
Eva Steffen, Anwältin eines der beiden Kläger, eines in Deutschland im Jahre 2000 geborenen Mädchens, legte dar, dass es niemals auch nur den Versuch einer Berechnung seitens der Bundesregierung gegeben habe, mit der dieser lebensfremde Betrag hätte erklärt werden sollen. Maßgebend für die Festlegung seien ausschließlich fiskalpolitische Erwägungen gewesen, die Anzahl von Asylsuchenden möglichst gering zu halten und Flüchtlinge abzuschrecken, nach Deutschland einzureisen.
Die Bundesregierung „feilt“ an einem Berechnungsverfahren
„Die Verfassungswidrigkeit liegt auf der Hand“, bemerkte Steffen und fragte sich zum Kreis der von der Bundesregierung an diesem Tag abgesandten Delegation wendend: „Ist eine von der Sozialhilfe abweichende Bedarfsbegründung vielleicht gar nicht mehr möglich“?
Für das Bundesministerium für Arbeit und Soziales versuchte Staatssekretärin Annette Niederfranke einen vom Sozialrecht abweichenden Bedarf damit zu rechtfertigen, dass der Gesetzgeber durchaus über einen Gestaltungsspielraum verfüge und ein Mensch, der sich nur vorübergehend in Deutschland aufhalte auch nur einen geringeren Bedarf hätte. Gleichwohl verhehlte sie nicht, dass sich die Regierung bei der Berechnung der Grundleistungen am Hartz-IV-Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zu orientieren habe. Das Problem sei, dass zum einen noch die relevanten Daten fehlten und „wir noch an einem geeigneten Berechnungsverfahren feilen“.
„Sofern sie dies in zwei Jahren nicht geschafft haben, werden sie es auch jetzt nicht mehr schaffen“, bemerkte Anwältin Eva Steffen und wies abschließend noch einmal darauf hin, das Ergebnis dieser Verhandlung sei, dass das physische Existenzminimum in Deutschland nicht gewährleistet sei. Das Urteil wird frühestens in einigen Monaten erwartet.