Inland

Dritter Versuch zur Vorratsdatenspeicherung: Darum geht es in der Debatte

23. December 2025 12:52:00

Justizministerin Stefanie Hubig (SPD) schlägt, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, eine neue anlasslose Vorratsdatenspeicherung für IP-Adressen vor. Die ähnlichen, aber umfassenderen Vorhaben von 2008 und 2015 scheiterten vor Gericht. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Ein Mann bedient ein Smartphone

Seit knapp 20 Jahren beschäftigt die Vorratsdatenspeicherung die Politik immer wieder. (Symbolbild)

Was ist eine Vorratsdatenspeicherung?

Darunter versteht man die anlasslose Pflicht, Daten zu speichern, demit die Polizei bei Bedarf später darauf zugreifen kann. In Deutschland und Europa wird in den letzten 20 Jahren vor allem über eine Vorratsdatenspeicherung für Telefon- und Internet-Verbindungsdaten diskutiert („wer ruft wen an“, „wer war wann im Internet“).

Was verspricht sich die Bundesregierung von einer Vorratsdatenspeicherung?

Bei Straftaten, die im Internet stattfinden, hinterlassen Täter*innen oft nur eine IP-Adresse (z.B. 142.250.186.46). Typische Beispiel sind der Besuch einer Tauschbörse für Kinderpornografie oder der Betrieb eines betrügerischen Online-Shops. In sollen Fällen will die Polizei wissen, wer hinter der IP-Adresse steckt, um konkret ermitteln zu können.

Wie ist die Rechtslage derzeit?

In Deutschland wurde 2015 eine zehn-wöchtige Vorratsdatenspeicherung für Internet-und Telefondaten gesetzlich eingeführt, aber wegen rechtlicher Bedenken nie durchgesetzt. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat die deutsche Regelung 2022 beanstandet, weil sie gegen EU-Recht verstoße.

Die Polizei kann derzeit zwar die Internet-Provider fragen, wem sie die IP-Adresse im jeweiligen Zeitpunkt zugewiesen haben. Die Provider speichern dies aber nur wenige Tage. Danach ist eine Zuordnung der IP-Adresse zu einer Person nicht mehr möglich. Deshalb soll die Zuordnung der IP-Adressen bei den Internet-Providern nun drei Monate gespeichert werden.

Was soll gespeichert werden?

Justizministerin Stefanie Hubig will dass die IP-Adressen und die Portnummern gespeichert werden. Die IP-Adresse wird Privatnutzer*innen bei jeder Einwahl ins Internet neu vergeben. Sie ist also kein festes Kennzeichen wie eine Telefonnummer oder ein PKW-Nummernschild.

Oft ist zur genauen Identifizierung des Nutzers zusätzlich noch eine Portnummer erforderlich. Die IP-Adresse ist dann wie die Adresse eines Hotels und die Portnummer entspricht der Zimmernummer im Hotel. Die Portnummer soll erstmals gespeichert werden.

Anders als bei früheren Anläufen zur Vorratsdatenspeicherung soll diesmal nicht anlasslos gespeichert werden, wer wen wann anruft, anmailt oder ansimst. Auch der Standort des Mobiltelefons soll nicht mehr gespeichert werden. Grund: Der EuGH hat all dies für unverhältnismäßig erklärt und nur die Vorratsdatenspeicherung von IP-Adressen erlaubt.

Die Inhalte der Kommunikation („was wurde gesprochen“, „was wurde gemailt“, „welche Web-Seiten werden aufgesucht“) sollten noch nie vorsorglich gespeichert werden.

Wer soll speichern?

Nur die Internetprovider sollen die zugeordneten IP-Adressen und Portnummern ihrer Kund*innen speichern. Die Polizei muss bei Bedarf die Herausgabe beantragen. Eine Vorratsdatenspeicherung der IP-Adressen beim Staat ist nicht vorgesehen.

Wie lange wird gespeichert?

Die Speicherfrist soll diesmal drei Monate betragen. Das ist halb so lange, wie bei der ersten deutschen Vorratsdatenspeicherung ab 2008, aber länger als die zehn Wochen, die 2015 vorgesehen waren.

Wer darf auf die vorsorglich gespeicherten IP-Adressen zugreifen?

Die Polizei soll zur Aufklärung von Straftaten auf die Daten zugreifen können. Ein Beschränkung auf bestimmte Straftaten ist dabei nicht vorgesehen. In Landesgesetzen kann künftig zudem vorgesehen werden, dass die Polizei auch zur Gefahrenabwehr die Daten nutzen kann. In weiteren Bundes- und Landesgesetzen könnte zudem eine Nutzung der Daten durch Verfassungsschutz und Bundesnachrichtendienst erlaubt werden.

Was gilt für Telefon- und Email-Verbindungsdaten sowie Standortdaten?

Diese sollen nicht mehr vorsorglich gespeichert werden. Ein Gericht kann aber auf Antrag der Staatsanwaltschaft anordnen, dass die Daten bei Vorliegen eines Verdachts vorsorglich gesichert werden. Sie dürfen dann nicht mehr gelöscht werden. Diese Sicherungsanordnung entspricht ungefähr dem „Quick-Freeze“-Verfahren, das die Ampel-Koalition (auch für IP-Adressen) einführen wollte. Falls der Verdacht erst lange nach der Straftat entsteht, sind die Daten allerdings längst gelöscht und können deshalb nicht mehr gesichert werden.

Wird es gegen die neue Vorratsdatenspeicherung wieder Klagen geben?

Damit ist zu rechnen. Vor allem die Internet-Provider befürchten Kosten in Höhe von „hunderten von Millionen Euro“ für die ausgedehnte Speicherung und Sicherung der IP-Adressen, so der Branchenverband eco. Die Provider können auch direkt gegen die Speicherpflicht klagen, weil sie nach Inkrafttreten des Gesetzes von der Bundesnetzagentur zur Speicherung aufgefordert werden. Sie müssten zunächst bei einem Verwaltungsgericht klagen, das den Fall dann dem Bundesverfassungsgericht oder dem Europäischen Gerichtshof vorlegen kann. Privatpersonen können zwar theoretisch als Betroffene auch klagen, die Vorratsdatenspeicherung von 2015 wurde jedoch durch Klagen von Providern zu Fall gebracht.

Sind solche Klagen erfolgsversprechend?

Eher nicht. Das Justizministerium hat sich sehr an den Vorgaben des EuGH orientiert und sieht eine Vorratsdatenspeicherung nur für IP-Adressen vor - was der EuGH ausdrücklich zugelassen hat. Das Bundesverfassungsgericht hat die Vorratsdatenspeicherung noch nie grundsätzlich abgelehnt und in seinem Urteil 2010 vor allem die nicht ausreichende Sicherung der zwangsgespeicherten Daten moniert.

Wie ist die Lage in anderen EU-Staaten?

In vielen EU-Staaten gibt es weitergehende Vorratsdatenspeicherungen, insbesondere mit längerer Speicherfrist für die IP-Adressen. Frankreich speichert nach wie vor auch Telefon-Verbindungsdaten und beruft sich dabei auf einen Anti-Terror-Notstand.

Die EU-Staaten und die EU-Kommission planen, wieder eine einheitliche EU-Vorgabe einzuführen. Die frühere EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung hatte der EuGH 2014 als unverhältnismäßig beanstandet. Seitdem gibt es keine EU-Vorgaben mehr.

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