Inland

Diskussion über Transitzonen: SPD lehnt Pläne der Union ab

Die Debatte über die Einrichtung sogenannter Transitzonen an der deutschen Außengrenze entzweiht die Koalition. Eilverfahren wären nach EU-Recht zwar maximal zwei Jahre lang möglich, würden aber erhebliche Investitionen erfordern.
von Christian Rath · 13. Oktober 2015
Transitzonen
Transitzonen

In der Debatte über die mögliche Einführung sogenannter Transitzonen an den deutschen Grenzen bezieht die SPD Stellung. Nachdem Bundesjustizminister Heiko Maas in einem Fernseh-Interview „rechtliche und praktische Bedenken“ geäußert hatte und die Idee von „Massenlagern im Niemandsland“ deutlich kritisierte, zogen führende Vertreter der SPD nun nach.

Annen nennt Transitzonen „gefängnisähnliche Einrichtungen“

Mit Niels Annen erklärte der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion in einem Interview: „Ich teile die rechtlichen Bedenken von Heiko Maas und es ist mit schleierhaft, wie das funktionieren soll.“ Im Zusammenhang mit der insbesondere aus den Reihen der CSU geforderten Einrichtung von Transitzonen sprach Annen von „gefängnisähnliche Einrichtungen an den Grenzen“ und plädierte dafür, das Vertrauen in die eigene Steuerungsfähigkeit aufrecht zu erhalten. Rückendeckung bekam er von Jörg Radek, stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Dem NDR erklärte Radek, die GdP würden Ideen von Transitzonen ablehen, wenn die Polizei derartige Zonen nach der aktuellen Planung organisieren müsste.

Der stellvertretende SPD Vorsitzende Ralf Stegner wiederum machte seinem Ärger auf Twitter Luft:

Christina Kampmann, SPD-Familienministerin in Nordrhein-Westfalen, ergänzte:

CSU treibt die Koalition vor sich her

In den Reihen der Union wird mit der Einführung von Asyl-Schnellverfahren in Transitzonen an der deutschen Grenze heftig geliebäugelt. Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) sprach in der BamS von einem „vernünftigen“ Vorschlag, der die Probleme allerdings nicht allein lösen könne. Die CSU fordert dies schon seit Wochen. Erst am Freitag hat die bayerische Landesregierung in ihrem Maßnahmenpaket beschlossen: „Der Bund muss umgehend die gesetzlichen Grundlagen für die Einführung des Landgrenzverfahrens schaffen, um beschleunigte Asylverfahren in Transitzonen durchführen zu können und die Einreise vorläufig zu verweigern.“

Der Begriff „Transitzone“ stammt von Umsteigezonen auf Flughäfen, in denen offiziell noch keine Einreise ins jeweilige Land erfolgt. Dort werden schon seit 1993 Eil-Asylverfahren in einfachen Fällen durchgeführt. Gleiches soll nach dem Willen der Union nun auch an den deutschen Landgrenzen möglich werden. In einem ersten Entwurf des Asylverfahrens-Beschleunigungsgesetz waren Mitte September bereits entsprechende Regelungen enthalten. Paragraph 18b des Asylgesetzes sah ein besonderes „Verfahren bei der Einreise auf dem Landwege“ vor. In der nächsten Fassung des Gesetzentwurfs war der Passus aber schon wieder gestrichen worden. Am Donnerstag wird das Gesetz im Bundestag ohne Transitzonen beschlossen.

Sind Asylverfahren an der Grenze rechtens?

Minister Altmaier kündigte nun aber an: „Wir besprechen diese Frage gerade in der Koalition. Ich gehe davon aus, dass wir in den nächsten Tagen zu einer Entscheidung kommen.“ Die EU-Asylrichtlinie sieht solche Transitzonen durchaus vor (Artikel 31 und 43). Danach können an der Grenze oder in Transitzonen Asylverfahren durchgeführt werden, wenn der Antragsteller zum Beispiel aus einem „sicheren Herkunftsstaat“ kommt, nichts Asylrelevantes vorgetragen hat, seine Ausweispapiere absichtlich vernichtete oder falsche Angaben macht.

Anfang Oktober hat die EU-Kommission allerdings laut FAS darauf hingewiesen, dass Transitzonen typischerweise ein Instrument für die EU-Außengrenzen sind. Dagegen seien an den EU-Binnengrenzen Grenzkontrollen und damit auch Transitzonen nur vorübergehend zulässig.

Realität steht den Plänen von CDU/CSU entgegen

Fest steht: Die Einrichtung von Transitzonen an Deutschlands Außengrenzen würde gewaltige Investitionen in neue Gebäude für Unterbringung und Befragung der Asylsuchenden erfordern. Zudem müsste wohl die gesamte Grenze mit Zäunen und Patrouillen gesichert werden, damit die Grenzkontrollen nicht einfach umgangen werden. Nach der EU-Verfahrensrichtlinie müssten die Verfahren an der Grenze auch binnen vier Wochen abgeschlossen sein. In dieser Zeit schafft man es heute meist nicht einmal, die Flüchtlinge zu registrieren. Und ob die zuständigen Herkunfts-, Durchreise- und Dublin-Staaten die im Transit abgewiesenen Flüchtlinge wieder aufnehmen, ist auch nicht selbstverständlich.

Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan oder dem Irak dürften ohnehin einreisen, da ihre Asylanträge erfolgversprechend sind.

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Christian Rath

ist rechtspolitischer Korrespondent.

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