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Direkte-Demokratie-Ranking: Wo sind Volksentscheide am bürgerfreundlichsten?

Der Verein Mehr Demokratie hat bewertet, in welchen Bundesländern die Regeln für Volksentscheide und Bürgerentscheide besonders bürger*innenfreundlich sind. Die besten Noten gehen nach Bayern und Bremen. Eine große Veränderung gab es in Thüringen.

von Carl-Friedrich Höck · 18. November 2025
Jemand wirft einen Umschlag in eine Wahlurne.

Stimmabgabe in einem Wahllokal (Symbolfoto): Direkte Demokratie ermöglicht es den Bürger*innen, wichtige Entscheidungen in ihrer Kommune selbst zu treffen.

Bayern und Bremen weisen nach Meinung des Vereins Mehr Demokratie im Vergleich der Bundesländer die besten Regeln für direkt-demokratische Verfahren auf. Das geht aus einem neuen Volksentscheid-Ranking hervor, welches der Verband am Dienstag (18.11.2025) veröffentlicht hat.

Unterschiedlich hohe Hürden

Der Verein Mehr Demokratie setzt sich für Bürger*innenbeteiligung und den Ausbau direktdemokratischer Elemente ein. Sein Bundesvorstandssprecher Ralf-Uwe Beck erklärte bei der Vorstellung des Rankings: „Die direkte Demokratie ist das einzige Instrumentarium, mit dem Bürgerinnen und Bürger sich vom Regierungshandeln unabhängig machen und selbst entscheiden können.“ Der Souverän, also das Volk, müsse das erste und das letzte Wort haben. Er sollte also Vorschläge einbringen und politische Entscheidungen korrigieren können.

Gemäß dieser Zielsetzung hat der Verein die Regeln für Volksbegehren und Volksentscheide (auf Landesebene) sowie für Bürger*innenbegehren und -entscheide (auf kommunaler Ebene) bewertet. Kriterien waren zum Beispiel: Welche Themen werden für einen Volksentscheid zugelassen? Wie viele Unterschriften müssen gesammelt werden und unter welchen Bedingungen? Gibt es hohe Beteiligungsquoren für den Entscheid? Aus dem Kriterienkatalog hat das Ranking eine Gesamtnote abgeleitet. Sie soll darstellen, wie bürger*innenfreundlich die Regeln sind – im Sinne möglichst niedriger Hürden.

Hamburg bei Volksentscheiden vorn

Auf landespolitischer Ebene kam Hamburg hierbei auf die beste Note (2,2), gefolgt von Bremen (2,7) und Bayern (2,9). Am schlechtesten schnitt das Saarland mit der Note 4,7 ab. Mit Blick auf die kommunale Ebene hat Thüringen laut dem Ranking die bürger*innenfreundlichsten Regeln (Note 1,6). Dahinter liegen Bayern (1,7) und Bremen (1,95). Wieder liegt das Saarland mit einer schlechten Note (5,6) auf dem letzten Platz.

Der Spitzenplatz für Thüringen sei etwas Besonderes, kommentierte Ralf-Uwe Beck. Denn das Land sei jahrelang Schlusslicht im Ranking gewesen. Doch dann seien Reformen von unten angestoßen worden. Im Jahr 2009 wurden – infolge eines Volksbegehrens – die Quoren für Bürger*innenbegehren und -entscheide deutlich gesenkt. Auch wurde der Themenkatalog erweitert: Seitdem kann die Bauleitplanung Gegenstand eines Bürger*innenentscheids sein. 2016 hat der Landtag weitere Änderungen beschlossen. „Bis auf wenige Ausnahmen entspricht das neue Regelwerk unseren Idealvorstellungen“, heißt es im Ranking von Mehr Demokratie.

Keine Volksentscheide auf Bundesebene

Der Verein hat auch die Landes- und Kommunalebene zu einer Gesamtnote zusammengefasst. In dieser Rangliste teilen sich Bayern und Bremen den Spitzenplatz, jeweils mit der Note 2,3. Der Bund bekommt von Beck eine glatte 6, denn auf Bundesebene gibt es keine direktdemokratischen Verfahren.

Der Verein Mehr Demokratie wurde 1988 (anfangs unter anderem Namen) gegründet. Nach eigenen Angaben hat er mehr als 11.000 Mitglieder. Das nun vorgelegte Ranking ist bereits das siebte. Die letzte Fassung wurde 2021 veröffentlicht. Ziel des Rankings sei es, den Wettbewerb zwischen den Bundesländern anzustacheln, sagt Ralf-Uwe Beck. Tatsächlich sind Veränderungen zu beobachten: Viele Bundesländer haben die Quoren für Volksbegehren gesenkt und die Durchschnittsnoten haben sich seit 2003 verbessert – von 4,2 auf 3,3.

Fördert direkte Demokratie die Polarisierung?

Ob niedrige Hürden für direktdemokratische Verfahren wirklich „gut“ sind, ist allerdings Ansichtssache. Eine häufige Kritik: Bürger*innen- oder Volksentscheide brächen komplexe Themen auf ein einfaches „Ja“ oder „Nein“ herunter, während die repräsentative Demokratie dazu beitrage, Kompromisse und einen Interessenausgleich herzustellen.

Ralf-Uwe Beck will das Argument nicht gelten lassen. Direkte Demokratie sei eben keine Basta-Politik. Bis zur finalen Entscheidung vergingen oft zwei Jahre. „In dieser Zeit schleift sich jeder Populismus ab“, meint Beck. Stattdessen werde die Debatte über ein Thema belebt. Ein Gemeinderat könne auf ein Bürger*innenbegehren reagieren, indem er auch einen Alternativvorschlag zur Abstimmung stellt oder einen losbasierten Bürger*innenrat einsetzt, der sich mit dem Thema befasst.

Ein weiteres Argument gegen mehr direkte Demokratie: Sie verursacht Kosten, weil die Abstimmungen mit organisatorischem Aufwand verbunden sind. „Natürlich spielt das eine Rolle“, räumt Beck ein. Er sieht aber verschiedene Hebel, um die Kosten niedrig zu halten. Abstimmungen könnten an Wahltermine gekoppelt werden. Die Abstimmungsinformationen zu versenden, müsse nicht zwangsläufig teuer sein, manchmal genüge ein einfaches DIN A4-Blatt mit Pro-und Contra-Argumenten.

Weiterführender Link:
Volksentscheidranking 2025 als PDF

Dieser Text erschien zuerst auf demo-online.de.

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Carl-Friedrich Höck

arbeitet als Redakteur für die DEMO – die sozialdemokratische Fachzeitschrift für Kommunalpolitik.

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