Eskaliert die Situation in der Ukraine? Die Opposition errichtet in Kiew Barrikaden, die Regierung schickt zusätzliche Soldaten in die Hauptstadt und Behörden ermitteln gegen Regierungsgegner. Jetzt will die EU im Konflikt vermitteln.
An diesem Montag läuft das Ultimatum ab. Noch halten Demonstranten das Rathaus in Kiew besetzt. Ein Gericht hat ihnen bis heute Zeit gegeben, das Gebäude bis Mitternacht zu verlassen. Mittlerweile sind vor dem Rathaus hunderte Bereitschaftspolizisten in Stellung gegangen, ausgerüstet mit Helmen, Schutzanzügen und Schilden. Die Besetzer wollen das Rathaus aber nicht räumen. Einige von ihnen hätten sich mit Holzlatten und Eisenstangen bewaffnet, berichten Augenzeugen.
Nicht nur am Rathaus ist die Situation angespannt. Am Wochenende haben rund 300 000 Menschen auf dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew gegen die Regierung protestiert und ihren Rücktritt gefordert. Danach errichteten Oppositionelle um mehrere Regierungsgebäude Barrikaden aus Autos, Holz und Baugerüsten. Anhänger der rechten Partei Swoboda stürzten eine Lenin-Statue um.
Ermittlungen gegen Oppositionelle
Die Regierung ihrerseits hat am Montag rund 700 zusätzliche Soldaten einer Sondereinheit in die Hauptstadt verlegt. Am Nachmittag haben Sicherheitskräfte das Stadtzentrum fast vollständig umstellt und begonnen, die Barrikaden abzubauen. Die Sorge vor gewaltsamen Zusammenstößen steigt.
Zudem ermittelt der Inlandsgeheimdienst SBU, der staatsanwaltliche Befugnisse besitzt, gegen führende Oppositionelle. Diese stünden in Verdacht, einen Staatsstreich zu planen, teilte der Geheimdienst mit. Den Betroffenen drohen nun Haftstrafen von fünf bis zehn Jahren.
Wen genau die Behörden ins Visier genommen haben, ist bisher nicht bekannt. Offenbar gehört der frühere Außenminister Arseni Jazenjuk dazu, der zu der Blockade des Regierungsviertels aufgerufen hatte. Er sei für Dienstag zu einer Anhörung vorgeladen worden, teilte Jazenjuk mit. Von einer Anklage wisse er aber nichts.
Umstrittenes Verhandlungsangebot
Die Zeichen stehen also auf Konfrontation. Doch nun könnte sich die Lage entspannen. Präsident Wiktor Janukowitsch hat am Montag erklärt, sich mit Vertretern der Opposition treffen zu wollen. Dabei will er mit seinen Amtsvorgängern Leonid Krawtschuk, Leonid Kutschma und Viktor Juschtschenko sprechen, die sich in der vergangenen Woche auf die Seite der Demonstranten gestellt hatten. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton will am Dienstag nach Kiew reisen, um zu vermitteln.
Doch nicht alle Oppositionelle sind zu Gesprächen bereit. So hat die inhaftierte ehemalige Regierungschefin Julija Timoschenko die Demonstranten aufgerufen: „Gebt nicht auf, und setzt euch nicht mit denen an einen Tisch.“ In einen Dialog mit der Regierung könne man nur treten, wenn Janukowitsch sofortigen Neuwahlen zustimme. Dagegen will Vitali Klitschko, der Chef der oppositionellen Partei „Udar“, an dem Treffen mit Janukowitsch teilnehmen.
Seit rund drei Wochen demonstrieren tausende Menschen in Kiew und anderen ukrainischen Städten gegen die Regierung. Die Proteste begannen, nachdem Janukowitsch ein geplantes Assoziierungsabkommen mit der EU platzen ließ. Sie richten sich aber auch gegen die zunehmende Gewalt durch Polizisten im Land.
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arbeitet als Redakteur für die DEMO – die sozialdemokratische Fachzeitschrift für Kommunalpolitik.