Inland

Die neue Teuerung

von Vera Rosigkeit · 1. Juli 2008
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Von Dietrich Jörn Weder

Mit einer Jahresrate von zuletzt 3,3 Prozent frisst die Geldentwertung bedauerlicher Weise den erstmals seit längerem erfreulich hohen Zuwachs der Arbeitsverdienste restlos auf. An dem beschleunigten Schritt der Lebenshaltungskosten haben die Löhne selber aber so gut wie keine Schuld. Von einer Lohn-Preis-Spirale kann keine Rede sein. Wir haben es erstmals seit langem mit einer Verknappung elementarer Güter zu tun, der Güter, die aus Wald und Feld oder aus der Tiefe der Erde stammen.

Dass sich das Fass Rohöl innerhalb eines Jahres im Preis auf um die 140 Dollar verdoppelt hat, weiß heute selbst das eine oder andere Schulkind. Viel weniger im Blick der Allgemeinheit ist dagegen schon die Verteuerung von Eisenerz und Kokskohle, Grundstoffe, von denen unsere bislang glänzend florierende Stahlindustrie existentiell abhängt. Preiserhöhungen für Eisenerz um bis zu einhundert Prozent haben die marktbeherrschenden drei größten Minenunternehmen ihren Abnehmern in jüngster Zeit aufgenötigt. Importierte Kraftwerkskohle hat sich im Preis innerhalb eines Jahres verdoppelt, Kokskohle sogar vervierfacht. Wen wundert es da, wenn die spätestens für 2018 politisch angepeilte Schließung der letzten Steinkohlengrube in Deutschland von neuem in Frage gestellt wird oder sogar an das Abteufen einer neuen Grube eigens für die Förderung von Kokskohle gedacht wird.



Geld verdienen mit Altpapier und Kali


Zum ersten Mal seit Jahrzehnten fahren wieder Schrotthändler mit dem Ruf "Alteisen, Altmetall!" durch die Straßen und sogar auf Friedhöfen geht der Metallklau um. Altpapier ist ein so begehrter Rohstoff geworden, dass einzelne private Händler in den neuen Bundesländern den Kommunen das einträglich gewordene Einsammel-Geschäft bei den Haushalten streitig zu machen versuchen.

Kali, ein unentbehrliches Düngemittel, wird weltweit so stark nachgefragt, dass sich der Aktienkurs des einzigen deutschen Grubenunternehmens, Kali und Salz, innerhalb eines Jahres vervierfacht hat. Europas Bauern nehmen lange brachliegende Flächen wieder unter den Pflug, weil ihnen der Ertrag aus den Händen gerissen wird, gleich ob daraus Biotreibstoffe oder Nahrungsmittel werden. Immer tiefer dringen südamerikanische Farmer mit dem Anbau von Soja in den brasilianischen Urwald oder die argentinische Pampa ein, um die Viehtröge in aller Welt mit nahrhaftem Eiweiß zu füllen. Die Bewässerung von Feldern in Indien und China leert Flüsse und erschöpft Grundwasservorkommen. An vielen Stellen stößt die rasant zunehmende Weltbevölkerung mit ihrem wachsenden Versorgungsbedarf an natürliche Grenzen, die vor kurzem noch fast niemand sehen wollte.

Umkehr der Globalisierung?

Die Ölpreis-Inflation verteuert unvermeidlich auch jeglichen Transport zu Lande, zu Wasser und in der Luft, und zwar so erheblich, dass Ökonomen bereits darüber nachdenken, ob dies nicht die Globalisierung bremsen oder sogar umkehren könnte. Der Vorteil der kurzen Wege fällt plötzlich hier und da bereits wieder ins Gewicht. Manch einer, der weite Wege zu seinem Arbeitsplatz mit dem Auto zurücklegen muss, könnte sich heute schon mit einem Umzug besser stellen.



Wie bietet man der neuen Teuerung Schach?


Sicherlich nicht, indem man den Kredit verteuert, wie es die Europäische Zentralbank offenbar vorhat. Die Lieferanten knapp gewordener Naturgüter, Gazprom oder die brasilianischen Sojabarone, wird dies nicht im Mindesten rühren, möglicherweise aber unsere auf einem Grat wandernde Konjunktur zum Abrutschen bringen.

Doch wie können wir Deutschen auf das neue Mangelproblem nachhaltig und klimaverträglich antworten? Goldrichtig war und ist es, erneuerbare Energien zu fördern und zu nutzen. Viel wichtiger aber noch: Die größte Ölquelle Deutschlands ist der sparsame, effiziente Umgang mit Energie!

Die klima-unschädliche Verstromung unserer heimischen Braunkohle müsste unter den neuen Umständen sogar zu einem vorrangigen nationalen Entwicklungsziel werden. Alles in allem sollten wir unser eigenes Naturreservoir, einschließlich der Fruchtbarkeit der Böden, wieder höher schätzen und sorgsamer nutzen. Und letztlich: Müssen wir den ausländischen Energielieferanten von diesen geschätzte deutsche Erzeugnisse verkaufen, mit denen wir unsere Heiz- und Treibstoffkosten möglichst weitgehend wieder zurückholen. Unsere Erfahrungen mit Russland und den Ölscheichs machen uns in dieser Hinsicht Mut.

Foto: pixelio.de

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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