Inland

"Die Jugend ist der wahre Reichtum dieses Landes"

von Ramon Schack · 22. August 2011
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Das renovierierungsbedürftige Gebäude scheint aus allen Nähten zu platzen. Trotz des improvisierten Zustandes ist die Laune der Studenten gut.

In einem Kursraum findet ein Seminar der Germanisten statt, einer der beliebtesten Studienfächer hier. "Ich würde gerne als Übersetzerin für die KFOR-Truppen arbeiten!", gibt eine Studentin unumwunden zu. Viele Ihrer Komilitonen, von denen die meisten schon einmal in deutschsprachigen Ländern gelebt haben, nicken zustimmend.

Ein Bremer Professor als Direktor

Die KFOR ist immer noch der größte Arbeitgeber dieser zweitgrößten Stadt des Kosovos, mit ca. 170.000 Einwohnern, ganz im Süden des Landes. Im November vergangenen Jahres öffnete die PZZ ihre Pforten. "Innerhalb kürzester Zeit mussten wir damals einen universitären Betrieb aus dem Boden stampfen!", berichtet Professor Ronald Mönch, der deutsche Direktor der Hochschule.

"Der Andrang ist noch immer ungebrochen, was auch mit dem hiesigen Arbeitsmarkt, sowie mit der demographischen Struktur der Bevölkerung zu tun hat", führt Mönch aus: "Der Kosovo hat die jüngste Bevölkerung Europas!".

Über 1600 Studenten sind an der Hochschule immatrikuliert. Mönch, ehemaliger Dekan der Universität Bremen, leistet im Kosovo Pionierarbeit, statt in der Heimat seine Pension zu verzehren. "Finanziell lohnt es sich nicht", gibt der Professor im dunkelblauen Anzug unumwunden zu. "Ich werde nach ortsüblichem Tarif bezahlt!". Zusammen mit seinem jungen Assistenten arbeitet Mönch täglich daran, die Universität Prizren auf EU-Standart zu bringen, um den Absolventen eine berufliche Zukunft zu gewährleisten. Lachend erzählt er von den Angriffen in der örtlichen Presse, die ihm indirekt vorwirft, dass er bei der Studienplatzvergabe die ortsüblichen Gepflogenheiten umgeht oder gar die Sprösslinge der Elite nicht bevorzugt.

Eine Stadt mit Zukunft

Ethnische Konflikte, wie aktuell im Norden des Kosovos, gab es hier schon seit einigen Jahren nicht mehr. Die geographische Lage der Stadt im Süden des Kosovos nahe der Grenze zu Albanien erweist sich mehr und mehr als Standortvorteil.

Nur einige Kilometer außerhalb Prizrens befindet sich die größte Baustelle des Balkans. Ein türkisch-amerikanisches Konsortium baut dort gerade eine Autobahnverbindung, welche die Hauptstädte beider albanischer Staaten verbinden wird. Durch die Verlängerung dieses Verkehrsweges an die Hafenstädte der albanischen Adria-Küste erhält der Kosovo als Binnenstaat einen Zugang zum Meer.

Für den Kosovo ist dies eine reale Alternative, die politische und geographische Isolation, bzw. die ökonomische Stagnation zu überwinden. Die touristische Attraktivität von Prizren, von vielen Einheimischen und Besuchern als schönste Stadt des Landes gelobt, dürfte zukünftig auch an Bedeutung gewinnen. Die malerische Lage der Stadt, von Hochgebirgen umgeben, die historische Altstadt mit ihrer Bausubstanz aus Osmanischer Zeit, zieht schon jetzt viele Besucher aus dem In-und Ausland an. Allerdings befindet sich die touristische Infrastruktur erst im Aufbau.

Ronald Mönch lockert seine Krawatte, nimmt auf einem zerschlissenem Ledersessel Platz. "Die Jugend ist der wahre Reichtum dieses Landes. Uns fehlen Räume, Lehrpersonal und Bücher, vor allem neue Studiengänge. Bisher produzieren wir ein Überangebot an Germanisten, die nicht benötigt werden. Wir arbeiten daran, unser Angebot zu erweitern."

Dem Abzug der KFOR-Truppen, für den es noch kein konkretes Datum gibt, sieht der Professor mit Freude entgegen. Nicht aus politischen Gründen, sondern aus Pragmatismus. Kürzlich hat er mit dem Oberkommandierenden vereinbart, das großräumige Kasernengelände nach dem Ende der Mission als neuen Universitätsstandort nutzen zu dürfen.

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Ramon Schack

ist Politologe und Journalist.

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