Inland

„Die Energiewende ist dezentral“

von Kai Doering · 8. März 2013

Am Donnerstag haben sich Vertreter aus Industrie, Gewerkschaften und Umweltverbänden im Kanzleramt getroffen, um über weitere Schritte der Energiewende zu beraten. Mit dabei war auch Ivo Gönner. Im Interview mit vorwärts.de sagt der Präsident des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU), warum die Energieerzeugung grundlegend reformiert werden muss.

vorwärts.de: Sind Sie mit den Ergebnissen des Energiegipfels zufrieden?

Ivo Gönner: Prinzipiell ist es sinnvoll, wenn die Bundeskanzlerin das Thema Energiewende zur Chefsache macht und es ist gut wenn der VKU als Spitzenverband der kommunalen Wirtschaft eingeladen ist. Das war nicht immer der Fall. Man merkt aber natürlich, dass wir uns kurz vor der Bundestagswahl befinden und die Kompromissfähigkeit auf allen Seiten nachlässt. Ich habe aus Sicht der Stadtwerke die Probleme und die aus unserer Sicht sinnvollen Lösungsansätze aufgezeigt. Hierzu hat der VKU in den letzten Monaten intensiv mit seinen Mitgliedern an einem Gutachten gearbeitet und wir sind zu sehr guten, zukunftsfähigen Ergebnissen gekommen.

Sie fordern einen „grundlegenden Umbau des Energiesystems“. Was stellen Sie sich vor?

Wir sehen, dass der Energiemarkt nicht mehr funktioniert und daher brauchen wir dringend einen Umbau des Energiemarktes. Dieser Umbau braucht einen integrierten Ansatz, der Erneuerbare Energien, konventionelle Erzeugung und Netze sowie deren Wechselwirkungen gleichermaßen berücksichtigt. Daher haben wir ein integriertes zukunftsfähiges Energiemarktdesign erarbeitet, das ein Höchstmaß an volkswirtschaftlicher Effizienz hervorbringt, Versorgungssicherheit bietet und dabei nachhaltig ist. Spätestens nach der Bundestagswahl muss die Bundesregierung mit Nachdruck so einen integrierten Ansatz verfolgen.

Welche Rolle spielen konventionelle Kraftwerke dabei?

Eine wichtige, denn trotz des rasanten Ausbaus der Erneuerbaren Energien brauchen wir für die Versorgungssicherheit grundlastfähige Kraftwerke. Hier müssen wir aber feststellen, dass die Bestandskraftwerke kein Geld mehr verdienen, was nicht im Interesse unserer Eigentümer, den Städten und Gemeinden, liegen kann. In letzter Konsequenz schadet dies ja dann auch den Bürgerinnen und Bürgern. Außerdem müssen wir feststellen, dass die notwendigen hocheffizienten Gaskraftwerke nicht gebaut werden, da Investitionssicherheit fehlt und die wirtschaftlichen Kennzahlen nicht stimmen.

Welcher Ansatz ist aus Ihrer Sicht sinnvoll?

Die Politik muss den Energiemarkt dringend weiterentwickeln. Dazu gehört auch, Überholtes zu revidieren. Wir schlagen daher vor, einen Leistungsmarkt zu etablieren, über den derjenige, der gesicherte Stromerzeugung mithilfe von Kraftwerken und Speichern anbietet, zukünftig ein Entgelt für die Bereitstellung erhält. Die Möglichkeit, bei Stromknappheit mit Strom versorgt zu werden, wird im heutigen System unentgeltlich gewährt. Damit Kraftwerke am Netz bleiben und auch weiterhin Investitionen in gesicherte Kraftwerks- oder Speicherleistung erfolgen, muss das Bereitstellen von Leistung honoriert werden.

Wie profitieren die Erneuerbaren Energien davon?

Der Ausbau der Erneuerbaren Energien ist ein Erfolgsprogramm und dabei soll es auch bleiben. Die Erneuerbaren Energien müssen aber in der Zukunft Systemverantwortung tragen und in den Markt integriert werden. Daher beinhaltet unser Marktmodell ein neues und wettbewerbliches Fördersystem für die Erneuerbaren Energien mithilfe eines Auktionsverfahrens. Die Förderung soll über die Abschreibungsdauer der Anlage gestreckt werden, damit ein Anreiz besteht, die Anlage in Betrieb zu halten.

Überall im Land gibt es Bestrebungen, die Stromversorgung zu rekommunalisieren. In Berlin ist die Neugründung von Stadtwerken im Gespräch. Welchen Beitrag leistet das zum Gelingen der Energiewende?

Wir sehen einen Trend zur Rekommunalisierung im Großen wie im Kleinen. Über 60 Stadtwerke wurden in den vergangenen Jahren gegründet, über 170 Konzessionsverträge neu hinzugewonnen. Letztlich ist das immer eine wirtschaftliche Entscheidung und oftmals geschieht dies in Kooperation mit bestehenden Stadtwerken. Dies ist auch sinnvoll. Die Energiewende ist dezentral angelegt und daher ist es richtig, wenn Stadtwerkestrukturen gestärkt werden. Strukturen, die im Übrigen eine sehr hohe Akzeptanz bei den Bürgern haben.

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Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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