Inland

Die Eltern sind gefordert

von ohne Autor · 16. Juni 2008
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vorwärts-online: Mit dem Projekt "Dr. Azubi" gehen Sie im Internet auf die Probleme der jungen Auszubildenden ein und beantwortet ihre Fragen. Wo drückt der Schuh am meisten?

Marco Frank: Seit dem Start vor fünf Jahren hat die Anzahl der Fragen stark zugenommen. Wenn man quer liest, hat man das Gefühl, dass sich die Situation bezüglich der Qualität in der Ausbildung verschärft hat. Es sind mehr und mehr Hilferufe geworden. Meist geht es um regelmäßig abzuleistende Überstunden, lange Ausbildungszeiten, ausbildungsfremde Tätigkeiten, fehlende Ausbildungsvergütungen und Mobbing. Gesundheitliche und psychische Probleme sind keine Seltenheit - wohlgemerkt bei Berufsanfängern! Natürlich ist die Internetseite nicht repräsentativ, aber die Zahl der schwarzen Schafe unter den Ausbildungsbetrieben hat auf jeden Fall zugenommen.

Und das lassen sich die Auszubildenden gefallen?

Viele Azubis sind froh, dass sie einen Ausbildungsplatz bekommen. Sie schreiben manchmal bis zu hundert Bewerbungen. Wenn sie dann einen Platz haben, tun sie nahezu alles, um diesen zu behalten. Die meisten Ausbildungsbetriebe verhalten sich korrekt, aber eben nicht alle. Auch die fachliche Betreuung der Auszubildenden lässt in einigen Betrieben zu wünschen übrig. Manche Auszubildende werden z.B. für Botengänge missbraucht, anstatt fachlich angeleitet zu werden.

Liegt das nicht auch an den Jugendlichen selbst? Die Betriebe klagen schließlich, viele Schulabgänger seien gar nicht ausbildungsfähig.

Dieses Argument zieht hier nicht. Die Jugendlichen sind ja schließlich bereits eingestellt. Meistens haben sie einen Test absolviert, mit dem die besten Bewerber herausgefiltert wurden. Allgemein sind die Anforderungen in der Arbeitswelt rapide gestiegen. Dadurch wird der Eindruck vermittelt, viele Bewerber seien nicht mehr ausbildungsreif. Die Betriebe suchen sich natürlich die Bestqualifizierten aus. Doch wenn immer nur die Besten oben abgeschöpft werden, stellen sich die Schlechteren immer wieder unten an. Damit entsteht der Eindruck, der Durchschnitt werde immer schlechter.

Ein Viertel aller arbeitslos gemeldeten Jugendlichen hat nicht mal einen Schulabschluss. Die SPD will einen Rechstanspruch auf Hauptschulabschluss. Eine gute Idee?

Ohne einen Schulabschluss kann man heute gar nichts mehr machen. Ein Mindeststandard ist äußerst sinnvoll. Die Gewerkschaftsjugend begrüßt den Vorstoß der SPD daher sehr.

Rechtliche Standards sind das Eine. Müssen nicht vielleicht auch die Schulen etwas ändern?

Die Schulen reagieren bereits. Es gibt zunehmend Kooperationen mit Betrieben. Schüler werden verstärkt angehalten, Praktika zu machen. Mitarbeiter von Arbeitsagenturen werden eingeladen und geben Orientierung. Dennoch ist die Schule zur Wissensvermittlung da. Sie kann die Schüler nicht an die Hand nehmen. Das ist Sache des Elternhauses.

Was erwarten Sie von den Eltern?

Die Eltern kennen die Stärken ihrer Kinder am besten. Sie sollten deshalb mehr Verantwortung übernehmen. Die Familienverhältnisse werden loser, die Jugendlichen sind in der Berufsorientierung zunehmend auf sich gestellt und werden nicht mehr ausreichend auf die komplexe Arbeitswelt vorbereitet. Sie sind da oftmals überfordert. Viele Jugendliche sind gar nicht auf dem Laufenden was es für Möglichkeiten gibt. Da müssen Eltern ihre Kinder an die Hand nehmen. Wenn sie es selbst nicht können, sollten sie sich zumindest um Beratung kümmern.

Wie können Schulen und Eltern besser zusammenarbeiten?

Im neuen Gesetzentwurf zum Ausbildungsbonus gibt es das Modell der Einstiegsbegleitung. Dies ist ein richtiger Schritt. Geschulte Leute wie Sozialpädagogen stehen denjenigen zur Verfügung, die Probleme beim Einstieg ins Berufsleben haben. Ihre Betreuung beginnt ein Jahr bevor die Jugendlichen ihren Abschluss machen. Diese läuft dann, bis der Jugendliche sicher im Ausbildungsplatz angekommen ist. Darüber hinaus würden wir gerne die ausbildungsbegleitenden Hilfen als Rechtsanspruch im Berufsbildungsgesetz verankert sehen. Betrieben würde mit den Formalien geholfen, bei benachteiligten Jugendlichen würden mangelnde Schlüsselqualifikationen im sozialen Bereich durch den Einsatz von Sozialpädagogen abgebaut. Dadurch könnten sich Betrieb und Auszubildender ganz auf den Ausbildungsinhalt konzentrieren.

Der Paritätische Wohlfahrtsverband fordert, eine rechtliche Klarstellung vorzunehmen, wonach Jugendliche ohne Berufsabschluss vorrangig in eine Ausbildung und nicht in irgendwelche Maßnahmen vermittelt werden.

Jugendliche, die immer nur in Maßnahmen vermittelt werden, ohne vernünftig ausgebildet zu werden, fallen immer wieder durch den Rost. Sie benötigen eine bereite Basis, auf der sie aufbauen können. Gerade Jugendliche, die es beim Lernen schwerer haben, brauchen nicht weniger, sondern mehr Bildung. Kurzfristige Maßnahmen sind immer nur Überbrückungen ins Nichts hinein.

Interview: Kai Doering

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