Inland

DGB plant "Kapitalismuskongress"

von Vera Rosigkeit · 23. Januar 2009
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Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) will eine breite öffentliche Diskussion zur Wirtschafts- und Finanzkrise führen. Es sei günstig, den derzeitigen Bewusstseinswandel in Politik, Medien und Öffentlichkeit zu nutzen, um das Ziel einer "Marktwirtschaft für Menschen" in den Mittelpunkt der Debatte zu rücken, erklärte der Vorsitzende Michael Sommer am Donnerstag in Berlin. Noch bis vor kurzem seien die Gewerkschaften für ihr Eintreten gegen unsinnige Privatisierung und Dividenden-Exzesse, für höhere Löhne und mehr Mitbestimmung als Betonköpfe beschimpft worden. Sommer: "Plötzlich singen alle unser Lied - einschließlich mancher Leitmedien," Das heiße aber noch lange nicht, räumte der DGB-Chef ein, dass die vielen Verfechter des Neoliberalismus "bekehrt wurden". Im Gegenteil. Sie warteten auf ihre zweite Chance.

Mehr Regulierung, mehr Staat

Nun plant der DGB gemeinsam mit Wissenschaftlern und Experten, Vertretern von Glaubensgemeinschaften und Nichtregierungsorganisationen auf einem zweitägigen "Kapitalismuskongress" im Mai über eine weltweite Regulierung von Finanzmärkten und Finanzprodukten zu diskutieren. Dabei sollen vor allem die künftigen Aufgaben eines starken Sozialstaates im Mittelpunkt stehen. Eines Staates, "der Regeln setzt und Aufgaben der Daseinsvorsorge übernimmt, statt um fast jeden Preis zu privatisieren", heißt es dazu in einer Stellungnahme.

DGB-Chef warnt vor Sozialisierung der Verluste

Darin warnte DGB-Chef Sommer vor einer so genannten "Bad Bank", die schlechte Risiken der Privatbanken aufkauft. Dies wäre "die größte Sozialisierung von Verlusten in der deutschen Geschichte", sagte Sommer. Die Kosten für Bürger und Staat könnten in die Milliarden gehen, vermutete er. Damit würden die Staatsfinanzen zu Lasten kommender Generationen "wirklich ruiniert".

Höhere Löhne, bessere Alterssicherung und Kampf gegen Armut

Politik und Wirtschaft forderte er auf, endlich gezielt die wachsende Armut in Deutschland zu bekämpfen. Dringender Handlungsbedarf bestehe auch bei der Alterssicherung. "Altersarmut werde sich dramatisch erhöhen und das vor allem im Osten", warnte Sommer und kündigte gleichzeitig den Start einer DGB-Kampagne zur Alterssicherung an.

Erneut verteidigte der DGB-Chef die Tarifpolitik der Gewerkschaften und die Forderung nach spürbarer Lohnerhöhung. "Seit über einem Jahrzehnt leide die deutsche Konjunktur an mangelnder Binnennachfrage. Gerade in der Krise gelte, dass Lohnzurückhaltung dem Massenkonsum schade", sagte er und betonte, dass die negativen Folgen der Krise nicht auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen werden dürften.

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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