Inland

Deutschland soll Einwanderungsgesellschaft werden

Die Beauftrage der Bundesregierung für Migration, Aydan Özoguz, hat den zehnten Bericht zur Lage der Ausländerinnen und Ausländer vorgestellt. Obwohl Deutschland das zweitbeliebteste Ziel von Migranten ist, haben sie immer noch mit starker Diskriminierung auf dem Bildungs- und Arbeitsmarkt zu kämpfen. Diese Mängel sollen beseitigt werden, damit Deutschland eine echte Einwanderungsgesellschaft wird.
von Hendrik Benjamin Iding · 30. Oktober 2014
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Zu Beginn der Pressekonferenz stellte Aydan Özoguz klar, dass sie den Titel ihres Berichtes „über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer“ unpassend findet. Unter Deutschlands Migranten gibt es inzwischen wesentlich mehr deutsche Staatsbürger als Ausländer. Eine Änderung des Titels hat die Staatsministerin bereits beantragt. Abgesehen davon zeigt sie sich sehr erfreut über die neue Studie, weil sie an jeder Stelle zeige, dass Deutschland inzwischen ein Einwanderungsland ist. Das ist keine Selbstverständlichkeit, da diese Tatsache in der deutschen Politik lange Zeit ignoriert wurde. Nun müssen die Versäumnisse aufgeholt werden, um auch die Gesellschaft einwanderungsfähig zu machen.

Keine Chancengleichheit für Ausländer

Nachholbedarf gibt es vor allem im Bildungsbereich. Im Jahr 2012 verließen elf Prozent aller ausländischen Schülerinnen und Schüler das Schulsystem ohne Hauptschulabschluss, unter den deutschen Schülerinnen und Schülern betrug der Anteil fünf Prozent. Zusätzlich ist die Abiturientenquote der Ausländerinnen und Ausländer mit 16 Prozent deutlich geringer als die der Deutschen mit 44 Prozent. Der Bericht von Özoguz attestiert dem deutschen Bildungssystem eine „mangelnde Wertschätzung und Akzeptanz gegenüber bestimmten Herkunftsgruppen, fehlende ethnische Diversität der Lehrerschaft und im Lehrmaterial sowie verinnerlichte negative Stereotype auf Seiten der Lehrkräfte wie auch der Schülerinnen und Schüler.“

Die fehlende Chancengleichheit zeigt sich ebenfalls auf dem Ausbildungsmarkt. Nur 29 Prozent aller Jugendlichen mit Migrationshintergrund, die sich auf einen Ausbildungsplatz beworben haben, wurden eingestellt. Bei den deutschen Jugendlichen waren es 44 Prozent. Das liegt dem Bericht zufolge vor allem daran, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund bereits im Bewerbungsprozess diskriminiert werden. Bewerberinnen und Bewerber mit ausländischen, insbesondere türkischen oder arabischen Namen haben bei gleicher Schulleistung deutlicher schlechtere Chancen auf eine Einstellung. Özoguz möchte diesem „erschreckenden Ergebnis“ mit einer stärkeren Umsetzung der Charta der Vielfalt in deutschen Unternehmen entgegenwirken. Zusätzlich sollen in den Bundesministerien mehr Menschen mit Migrationshintergrund beschäftigt werden, um ein öffentliches Zeichen zu setzen.

Die Notwendigkeit wird durch die Armutsgefährdung von Migranten unterstrichen. Die Armutsgefährdungsquote ist für Personen mit Migrationshintergrund und Abitur höher als bei Deutschen mit Hauptschulabschluss, und zwar 20 Prozent im Gegensatz zu 14 Prozent.

Özoguz fordert mehr Einbürgerung

In Anbetracht des zukünftigen Fachkräftemangels in der deutschen Wirtschaft fordert Özoguz eine vermehrte Einbürgerung von in Deutschland lebenden Ausländern. Zwar ist die Zahl von Einbürgerungen leicht gestiegen, zwischen 2010 und 2013 von 101.570 auf 112.353, doch seitdem stagniert sie. Am häufigsten werden türkische Staatsangehörige eingebürgert. Als positives Beispiel wird in dem Bericht ausdrücklich der Stadtstaat Hamburg erwähnt, der mit einer Einbürgerungsquote von 3,12 Prozent an der Spitze liegt. Das liegt daran, dass der Hamburger Senat jeden einbürgerungsfähigen Ausländer persönlich anschreibt und danach fragt, ob dieser eingebürgert werden möchte.

Lobend erwähnt wird ebenfalls die geplante Abschaffung der Optionspflicht. Bisher mussten sich in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern bis zu ihrem 23. Lebensjahr zwischen der deutschen oder elterlichen Staatsangehörigkeit entscheiden. Diese Regelung soll noch in dieser Legislaturperiode abgeschafft werden.

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Hendrik Benjamin Iding

studiert Politologie sowie Soziologie an der Universität Potsdam und ist von Oktober bis Dezember 2014 Praktikant beim vorwärts.
 

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