In der letzten Plenarsitzung des Bundestages vor der Wahl hat Peer Steinbrück die Politik der Bundesregierung scharf kritisiert. Deutschland werde unter Wert regiert und die Kanzlerin lulle die Menschen ein, sagte er. Eine Debatte über die NSA-Spähaffäre wurde von der Regierungskoalition verhindert.
„Zur Situation in Deutschland“ diskutierten die Bundestagsfraktionen am Dienstag während der wohl letzten Parlamentssitzung vor der Wahl. Höhepunkt der mehr als dreistündigen Debatte war der Schlagabtausch zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihrem sozialdemokratischen Herausforderer Peer Steinbrück.
Merkel beanspruchte „sensationelle Erfolge“ für ihre Regierung und verwies auf steigende Steuereinnahmen und sinkende Arbeitslosenzahlen. Steinbrück hielt dagegen, unter Schwarz-Gelb sei die Spaltung am Arbeitsmarkt verstärkt worden. Millionen von Menschen könnten von ihrer Arbeit nicht leben.
Merkels Kabinett sei das „tatenloseste, zerstrittenste, aber vollmundigste seit der Wiedervereinigung“, sagte Steinbrück. Die Bundeskanzlerin täusche Aktivismus vor. So habe sie mehr als 50 Gipfel zu verschiedenen Sachthemen einberufen, die jedoch folgenlos geblieben seien. Auch habe Merkel immer wieder Reformprojekte angekündigt, ohne sie anzugehen.
„angekündigt, abgewartet, ausgesessen“
„Wer hat eigentlich die letzten vier Jahre regiert?“, fragte Steinbrück. Die Bundeskanzlerin warte nur ab, anstatt Entscheidungen zu treffen. Als Beispiele nannte er die Steuerreform, die Rentenreform und die Pflegereform: „alles angekündigt, abgewartet, ausgesessen“, sagte Steinbrück. Zu Merkel gewandt rief er: „Sie sind die Architektin der Macht, aber Sie sind nicht die Architektin des Landes“.
Die Kanzlerin versuche, die Menschen mit ihren Phrasen einzulullen, sagte Steinbrück. Deutschland leide „an einer politischen Unterzuckerung“. Eine rot-grüne Bundesregierung unter seiner Führung werde bereits in den ersten 100 Tagen einen Mindestlohn einführen, die Kinderbetreuung ausbauen, den Steuerbetrug schärfer bekämpfen und eine Mietpreisbremse einführen, versprach der Sozialdemokrat.
In der Parlamentssitzung am Dienstag wollten SPD, Grüne und Linke ursprünglich auch eine Debatte über die NSA-Spähaffäre führen. „Wir wollen belastbare Vereinbarungen mit den Vereinigten Staaten über den Grundrechtsschutz unserer Bürger“, sagte der SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann. Der Antrag, dieses Thema in die Tagesordnung aufzunehmen, scheiterte an der schwarz-gelben Parlamentsmehrheit.
de Maizière weiter in der Kritik
Bereits am Montag wurde im Bundestag der Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses zur sogenannten Drohnen-Affäre diskutiert. Dabei behauptete der CDU-Abgeordnete Markus Grübel, Verteidigungsminister Thomas de Maizière sei „von den Vorwürfen entlastet“. Der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold reagierte fassungslos. „Diese Rede ist an Peinlichkeit und Wirklichkeitsverweigerung durch nichts mehr zu überbieten“.
De Maizière habe behauptet, über die Probleme bei der Entwicklung der Drohne „Euro Hawk“ zu wenig unterrichtet worden zu sein, erläuterte Arnold. Dokumente belegten jedoch, dass der Verteidigungsminister mehrfach die Unwahrheit gesagt habe. „Dieser Minister wollte die Öffentlichkeit hinter die Fichte führen“, sagte Arnold. Deshalb hätte de Maizère zurücktreten müssen. Mit Blick auf die Bundestagswahl in drei Wochen fügte er aber an, de Maizère habe den richtigen Zeitpunkt versäumt, „um noch in Würde und Anstand Verantwortung zu übernehmen.“
arbeitet als Redakteur für die DEMO – die sozialdemokratische Fachzeitschrift für Kommunalpolitik.