CSD in Berlin: Auch eine Party ist ein politisches Statement
Frau Nowacki, seit 2017 gilt die Ehe für alle. Hat die SPDqueer jetzt nichts mehr zu tun?
Leider nicht. Der Begriff Sexuelle Identität muss nach wie vor in den Artikel drei des Grundgesetzes. Dabei geht es dann sowohl um die Identität als auch die sexuelle Orientierung, niemand darf dafür diskriminiert werden. Das ist aktuell das Motto der SPDqueer in Berlin, aber auch nicht die Erfindung der SPDqueer.
Woher kommt die Forderung denn ursprünglich?
Gefordert wird die Umsetzung schon lange, im Grunde von allen Gruppen aus der LGBTI-Community. Sie ist außerdem schon ziemlich alt, schon im Bundesprogramm der Schwusos von 1982 wurde das so ähnlich formuliert wie heute.
Eine jahrzehnte alte Forderung also, aber warum wurde sie gerade jetzt wieder aufgegriffen?
Wir halten es gerade jetzt für besonders wichtig, darauf hinzuweisen! Die AfD hat zum Beispiel angekündigt, dass sie die Öffnung der Ehe wieder abschaffen will. Es ziehen derzeit viele Erzkonservative in die Parlamente ein. Teilweise werden provokante Anfragen gestellt, mit der Absicht, da etwas zurückzudrehen.
Welche Beispiele gibt es dafür?
Es wird zum Beispiel gefragt, welche Initiativen zur Förderung sexueller Vielfalt finanziert werden. Es wird überall darauf gezielt, die Unterstützung zurückzufahren und es werden Themen, die unsere Community betreffen, als „Gender-Gaga“ diskreditiert. Der andere Aspekt ist, dass Homophobie wieder salonfähig gemacht wird. Dadurch steigt auch die Gewalt gegen die Community wieder, wir sind an der einen oder anderen Stelle der Prügelknabe der Nation.
Verbal nimmt Homophobie nimmt wieder zu, Gewalt gegen Trans-, Homo- und Intersexuelle auch – gibt es trotz allem noch positive Nachrichten?
Wir erfahren auch Unterstützung aus Teilen der Gesellschaft. Es gibt allgemeine Bündnisse, die sich übergreifend gegen rechts und damit auch für queere Gruppen stark machen. Auch queere Netzwerke stehen zusammen, von den Parteiunterorganisationen bis hin zu den Wirtschaftsweibern, LSVD und der Aids-Hilfe. Das kommt beim Christopher-Street-Day (CSD) wieder zum Ausdruck.
Gerade solche Großveranstaltungen wie der CSD werden aber auch als reine Partyveranstaltung kritisiert.
Diese Kritik ist ungerechtfertigt. Natürlich ist der CSD eine Party, für einige ist er auch nur das. Aber selbst dann ist es ein politisches Statement, sich zu versammeln und öffentlich zu feiern. Es gibt uns, wir sind viele, wir verstecken uns nicht. Jeder CSD hat außerdem ein Motto und das Motto war nie: „Wir trinken Prosecco“, sondern es gibt immer politische Forderungen, die zusammen mit dem Motto verkündet werden. Das diesjährige Motto in Berlin lautet übrigens „50 Jahre Stonewall – jeder Aufstand beginnt mit deiner Stimme“ und es muss auf jedem Wagen stehen.
Gibt es für den CSD, die Forderungen und die Queere Community allgemein genug Rückhalt in der SPD?
Der Rückhalt ist grundsätzlich immer stark gewesen und er ist es auch heute. Aber die beste Beschreibung ist wohl: Es geht meistens zwei, drei Schritte vorwärts und einen Schritt zurück. Sozialdemokraten haben sich dafür stark gemacht, dass der Paragraf 175, der Homosexualität unter Strafe stellte, gelockert und später abgeschafft wurde. Dann gab es Zeiten, in denen sich die SPD kaum mit solchen Themen beschäftigt hat. Aber zuletzt hat die Partei bei der Abstimmung zur Ehe für alle wieder gestanden. Es geht natürlich immer mehr, aber wir freuen uns generell über jeden und jede die sich für unsere Sache und die Community einsetzen.