Corona: „Für junge Menschen ist die Situation sehr belastend.“
imago images/Rupert Oberhäuser
Deutschland kämpft bereits seit einem Dreivierteljahr gegen das Corona-Virus. Gerade wurde der Teil-Lockdown bis in den Januar verlängert. Was bedeutet diese Situation für junge Menschen?
Für junge Menschen ist die Situation aus ganz unterschiedlichen Gründen sehr belastend. Europaweit sind junge Erwachsene diejenigen, die auf dem Arbeitsmarkt am stärksten von der Krise betroffen sind – viele haben ihre Jobs verloren oder haben Angst in eine unsichere berufliche Zukunft zu steuern. Insbesondere junge Menschen, die in Armut aufwachsen, haben keine Endgeräte mit denen sie am Unterricht teilnehmen können. Die Ergebnisse unterschiedlicher Studien zeigen zudem, dass Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene gegenwärtig den Eindruck haben, dass ihre Sorgen nicht gehört werden und dass sie in die Gestaltungsprozesse der derzeitigen Krise nicht miteingebunden werden. In den Krisengremien fehlten bisher durchgängig junge Menschen und deren Interessenvertreter*innen. Besonders problematisch für Jugendliche ist, dass sie in den letzten Monaten nur als Schüler*innen gesehen wurden und ihre Interessen und Bedarfe kaum eingebunden wurden.
Wie gehen sie damit um?
Junge Menschen verbringen zwar viel Zeit mit Medien – vor allem aber, um Freundschaften zu organisieren. Ihnen fehlen die Freunde und die sozialen Kontakte in den Lockdownzeiten enorm. Aktuelle europaweite Daten zeigen deutlich, dass das Thema psychische Gesundheit und Wohlbefinden deshalb eine immer größere Rolle für junge Menschen spielen. Jugendverbände haben deshalb Treffen junger Menschen zwar auch in den digitalen Raum verlagert, Vernetzung hat stattgefunden – bis hin zu digitalen Zeltlagern, aber dort wo es möglich ist, werden auch Präsenzangebote gemacht, Ferienfreizeiten und Gruppenstunden durchgeführt und offene Jugendtreffs geöffnet.
Die Infektionszahlen sind bei jungen Menschen deutlich höher als bei den Alten, die allerdings besonders gefährdet sind, an den Folgen des Virus zu sterben. Belastet das die Jungen?
Kinder und Jugendliche können die Corona-Regeln laut Sinus-Jugendstudie nachvollziehen und befolgen diese größtenteils sehr bereitwillig. Es gab und es gibt ein großes Verantwortungsbewusstsein in der jungen Generation. Sie als Infektionstreiber*innen zu bezeichnen, wie es manchmal im medialen Diskurs gemacht wird, geht zu großen Teilen an der Realität vorbei. Junge Menschen sind in Schule, Beruf und Studium mobiler als ältere. Insbesondere junge Arbeitnehmer*innen sind diejenigen, die sich am häufigsten in prekären Beschäftigungsverhältnissen befinden und sich deshalb auch im beruflichen Kontext mehr und öfter gesundheitsgefährdenden Situationen aussetzen müssen – das gilt auch für die Corona-Pandemie.
Inzwischen ist schon von einer „Generation Corona“ die Rede. Was muss getan werden, dass aus dieser keine verlorene Generation wird?
Die letzte Wirtschafts- und Finanzkrise hat deutlich gezeigt: Junge Menschen, die während einer Krisenzeit in den Arbeitsmarkt einsteigen, haben noch viele Jahre später Nachteile am Arbeitsmarkt. Wir müssen deshalb jetzt schneller und besser handeln als vor fast zehn Jahren. Das bedeutet gezielte Unterstützungsangebote an den Übergängen von Schule in Ausbildung und Beruf, eine Anpassung der europäischen Jugendgarantie und ein Recht auf Ausbildung. Junge Menschen aus benachteiligten Familien müssen dabei besonders in den Blick genommen werden, um die Benachteiligungsspirale zu durchbrechen.
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Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.