Christine Lambrecht: „Von ‚Nebenbei‘ kann keine Rede sein.“
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Nach dem Rücktritt von Franziska Giffey sind Sie nun neben Ihrem Amt als Justizministerin auch kommissarische Bundesfamilienministerin. Kann man solch ein großes Ministerium nebenbei führen?
Von „Nebenbei“ kann keine Rede sein, und ich übe das neue Amt nicht nur kommissarisch aus, sondern mit allen Befugnissen und vollem Einsatz. Wer mich kennt der weiß, dass ich neue Aufgaben mit viel Herzblut und Elan angehe. Das Amt der Familienministerin ist gerade in der Corona-Pandemie besonders wichtig und ich werde eine laut vernehmbare Stimme für die Interessen von Kindern, Jugendlichen, Familien und Senioren sein.
Viele Themen wie etwa das „Gesetz zur Stärkung und Förderung der wehrhaften Demokratie“ oder die Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz haben Sie bereits in enger Abstimmung mit Franziska Giffey vorangetrieben. Wie sehr hilft das bei der Einarbeitung?
Es hilft sehr, insbesondere weil wir uns in der Endphase der Legislaturperiode befinden und es jetzt darauf ankommt, viele ganz wichtige Projekte noch zum Abschluss zu bringen. Für eine Einarbeitung ist da gar keine Zeit. Für die Aufnahme von Kinderrechten ins Grundgesetz und für mehr Frauen in den Vorständen zum Beispiel habe ich mich seit Beginn meiner Amtszeit als Bundesjustizministerin mit Nachdruck eingesetzt und werde weiter dafür kämpfen.
Bereits in den ersten Tagen haben Sie sich zu kinder- und familienpolitischen Themen zu Wort gemeldet und u.a. eine möglichst schnelle Rückkehr zum Regelunterricht in den Schulen gefordert. Ist das vor den Sommerferien überhaupt noch sinnvoll?
Als Sozialdemokratin liegt mir besonders am Herzen, dass kein Kind zurückgelassen wird und jedes Kind mit guten Chancen ins Leben starten kann. Für viele Kinder, gerade in ärmeren Familien, war die Pandemiezeit besonders belastend und wir müssen alles daran setzen, dass diese Nachteile nicht von Dauer sind. Es ist ganz wichtig, dass kein Kind dauerhaft Schaden nimmt und benachteiligt bleibt. Eine Rückkehr zum Regelbetrieb von Schulen und Kitas würde viele Familie entlasten und Kindern ihren Alltag wieder zurückbringen. Wir müssen deshalb alles dafür tun, damit Schülerinnen und Schüler so schnell wie möglich zum regulären Unterricht zurückkehren zu können.
Ein wichtiges Anliegen der SPD ist das Corona-Aufholprogramm für Kinder und Jugendliche, das nun auch in Ihre Zuständigkeit fällt. Wann geht es da an die Umsetzung?
Wir sind mitten in der Umsetzung und werden jetzt Vereinbarungen mit den Ländern treffen, damit die Programme möglichst schnell starten können. Unser Aufholpaket in Höhe von zwei Milliarden Euro sieht neben Unterstützung bei schulischen Defiziten auch Angebote für frühkindliche Bildung, Ferienfreizeiten und Familienerholung vor. Und besonders wichtig ist mir: Mit einem Kinderfreizeitbonus von 100 Euro pro Kind ermöglichen wir auch Familien mit geringen Einkommen die lange vermissten Ferienaktivitäten und unbeschwerte Stunden.
Sie haben angekündigt, als Familienministerin „nicht nur verwalten, sondern gestalten“ zu wollen. Was ist da bis zur Sommerpause überhaupt noch möglich?
Ich habe mir vorgenommen, noch so viele sozialdemokratische Anliegen wie möglich umzusetzen und hierfür bis zum Schluss zu kämpfen. Das Wohl der Kinder ist für mich von besonderer Bedeutung. Deswegen ist es auch so wichtig, dass wir noch den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung von Grundschulkindern umsetzen. Und auch die Aufnahme von Kinderrechten in das Grundgesetz ist ein ganz wichtiges Projekt, für das ich mich weiterhin mit allem Nachdruck einsetzen werde. Ein weiteres wichtiges Vorhaben ist das Gesetz für mehr Frauen in Unternehmensvorständen. Und von besonderer Bedeutung ist das Gesetz zur Förderung der wehrhaften Demokratie, mit dem wir die Extremismus-Prävention nachhaltig sichern wollen.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.