In keinem anderen Bundesland in Deutschland werden mehr rechte Straftaten begangen als in Nordrhein-Westfalen. In keinem anderen Bundesland hat es in den zurückliegenden Jahren derart viele Ermittlungsverfahren der Behörden gegeben wie hier: Fast 5000 sind es. Und die Hochburg der rechten Szene ist Dortmund. Genauer gesagt der Stadtteil Dorstfeld. Die Hochburg der Neonazis. Die Zahlen der rechten Straftaten steigen unentwegt. Verurteilungen allerdings gab es nur wenige. Die zuständigen Dienststellen sagen, das sei so, weil die Ermittlungen überwiegend sehr langwierig und aufwendig seien.
In Dortmund kommt es immer wieder zu Einschüchterungen, Pöbeleien und Überfällen durch die Rechtsradikalen. Der jüngste Fall ereignete sich vergangenen Samstagabend auf dem Dortmunder Weihnachtsmarkt. Zwei Jugendliche wurden mit den Worten "Scheiß-Ausländer von sechs Glatzen angepöbelt, angegriffen, getreten. Ein junger in Deutschland geborener Türkei ist dabei schwer verletzt worden. Dazwischen gegangen ist niemand. Unter den Tätern war Sven K., sagt der Staatsschutz. K., damals 17 Jahre alt, hat vor mehr als sechs Jahren einen jungen Punker an einer U-Bahnhaltestelle erstochen. Er wurde zu einer Jugendstrafe von sieben Jahren verurteilt. Kam 2010, unterdessen 23 Jahre alt, vorzeitig aus dem Gefängnis, schloss sich ganz offenbar sogleich wieder der rechten, gewaltbereiten Szene an.
Und noch im Dezember des gleichen Jahres griffen 12 Neonazis in den frühen Morgenstunden eine linke Dortmunder Szenekneipe an, verletzten mehrere Jugendliche. Die Stadt bedauerte den Überfall. Unter den Tätern soll wiederum Sven K. gewesen sein. Noch in der Tatnacht wurde er verhaftet. Bestritt jede Tatbeteiligung und kam wieder auf freien Fuß.
Nach dem Überfall am zurückliegenden Sonnabend sitzt Sven K. wiederum in Untersuchungshaft. Unterdessen 24 Jahre alt. Nach allem was bekannt ist, gehört er zu den schlagkräftigen Kadern der Rechten in der Dortmunder Szene, die vor allem im Stadtteil Dorstfeld über Jahre hinweg eben nicht nur Wände mit Naziparolen und ausländerfeindlichen Sprüchen beschmiert hat. Immer wieder provozierten sie Schlägereien, warfen Scheiben ein und schüchterten ein: Unter anderem eine Familie, die sich öffentlich gegen die Neonazis geäußert und engagiert hatte. Sie hat mittlerweile die Stadt verlassen.
Es ist ein Furcht erregender Ausschnitt aus der braunen Bewegung, die sehr eng vernetzt ist mit der NPD unter anderem aber auch untereinander, wie die Ermittlungsbehörden vor allem in Sachsen und in Thüringen in diesen zurück liegenden Tagen erfahren. Die Gewalt bereiten Neonazis, die hinter den Freien Netzen stecken, in Zwickau, Jena und Altenburg ihr Unwesen treiben, unterwandern die NPD, rufen in den geschlossenen Internet-Foren zur Gewalt auf.
Einer schlägt vor, eine Polizeistation anzugreifen und anzuzünden. Ein anderer User fragt, ob man nicht einen Polizisten abstechen sollte, sonst sei die ganze Aktion ja langweilig. Einer ihrer führenden Köpfe gehörte so auch dem Thüringer Heimatschutz an. Der Organisation, in der auch Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe waren. Noch bevor sie in Jena untertauchten. So wie auch Ralf Wohlleben, der ehemalige Vizechef der Thüringer NPD. Der wurde am Dienstagmorgen verhaftet. In sechs Fällen wird ihm Beihilfe zum vollendeten Mord vorgeworfen. Mit seiner Verhaftung hatte er nicht gerechnet.
ist Journalist, Gast-Dozent für Fernsehdokumentation und -reportagen an der Berliner Journalistenschule und an der Evangelischen Journalistenschule in Berlin sowie Honorarprofessor im Studiengang Kulturjournalismus an der Berliner Universität der Künste (UdK).