Boris Pistorius will keine „Scheinlösungen“
Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius hat den Asyl-Kompromiss der Union scharf kritisiert. „Es wird eine Scheinlösung präsentiert für ein Problem, das nun wahrhaftig nicht auf Platz eins der Agenda unserer Probleme steht“, sagte Pistorius am Dienstag in Hannover. Es werde „der Eindruck erweckt, als würde jetzt hiermit die gesamte Asylfrage endgültig und unwiderruflich geklärt.“ CDU und CSU hatten Montagnacht eine Vereinbarung präsentiert, in der sie sich darauf einigen, sogenannte Transitzentren für bereits in anderen EU-Ländern registrierte Asylbewerber an der deutsch-österreichischen Grenze einzurichten.
Sachfragen stünden nicht im Vordergrund
SPD-Parteichefin Andrea Nahles hatte daraufhin geäußert, aus SPD-Sicht gäbe es noch „eine ganze Reihe von ungeklärten Fragen“. Dieser Einschätzung schloss Pistorius sich an: „Was soll da passieren und wem hilft das? Mit welchem Aufwand soll das betrieben werden? Wie lange sollen Menschen festgehalten werden können? Und welche sollen festgehalten werden können?“ Er verwies auf das Schengener Abkommen, welches EU-Ländern klare Regelungen vorgibt, insbesondere beim Thema Grenzkontrollen an europäischen Binnengrenzen. Deutschland könne also mitnichten alleine über den Schutz seiner Grenzen entscheiden. Stattdessen werde eine europäische Lösung gebraucht – ohne die Mithilfe von Akteuren wie Österreich, Ungarn und Italien könne Deutschland seine Vorhaben weder umsetzen, noch irgendetwas „lösen“.
Pistorius wies darauf hin, dass es seit Verabschiedung des Koalitionsvertrags vor vier Monaten keine veränderte Faktenlage gebe. Die Flüchtlingssituation habe sich nicht verschlechtert, sondern sogar verbessert. Es gebe deshalb keinen Anlass, den Koalitionsvertrag nun „in einigen Punkten aufzudröseln“. Bei der aktuellen Diskussion handele es sich um eine „reine Machtdiskussion“, bei der Sachfragen nicht im Vordergrund stünden. Dabei gibt es aus Sicht des niedersächsischen Innenministers genügend Baustellen, die angepackt werden müssten, unter anderem der Schutz der europäischen Außengrenzen, eine bessere Ausstattung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sowie die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern beim Thema Flüchtlinge.
Lösungsversprechen statt Lösungsansätze
Die Menschen in Deutschland, so Pistorius, hätten einen Anspruch darauf, dass „Spielchen“ wie die zwischen CDU und CSU nun ein Ende hätten. Es gehe darum, sachorientiert zu diskutieren und Lösungsansätze zu präsentieren, die mehr seien als „Lösungsversprechen“. Der „faule Kompromiss“ der Unionsparteien würde nichts besser machen und den Menschen vorgaukeln, „hier würde irgendeine Situation bereinigt“. Die Kanzlerin, findet Pistorius, hätte auch andere Möglichkeiten gehabt, den Konflikt mit der CSU beizulegen – die Vertrauensfrage zu stellen, wie Gerhard Schröder 2001 und 2005, sei eine davon. Die SPD würde den Asyl-Kompromiss zwar intern diskutieren, man müsse schließlich vorbereitet sein. Aber: „Wir als Sozialdemokraten haben keinen Grund, jetzt auf jede Diskussion sofort einzusteigen.“