Inland

Beschäftigungspflicht für Schwerbehinderte verbessern

von Ursula Engelen-Kefer · 2. April 2012

In den Medien wird zurzeit das „Beschäftigungswunder“ in der Bundesrepublik bejubelt und der Mangel an Fachkräften beklagt. An den behinderten und schwerbehinderten Menschen geht dieser Aufschwung jedoch vorbei.

Trotz genereller Verbesserung der Beschäftigung ist die Arbeitslosigkeit für behinderte und schwerbehinderte Menschen weiterhin überdurchschnittlich hoch und ihr Anteil an den Arbeitslosen steigt weiter an, bis 2011 auf 6 Prozent. Betroffen sind vor allem ältere Arbeitnehmer/innen mit Behinderungen/Schwerbehinderungen und wenig Chancen, in eine humane Beschäftigung eingegliedert zu werden. Wenn sie überhaupt wieder eine Arbeit finden, ist dies häufig prekäre Beschäftigung in Niedriglohnsektoren und Hungerlöhnen.

Etwa die Hälfte von ihnen muss Hartz IV beziehen. Es zeigt sich einmal mehr mit aller Härte, dass die Verbesserung der generellen Beschäftigung bei der guten konjunkturellen Wirtschaftslage weitgehend an den Menschen mit Behinderungen und Schwerbehinderungen vorbeigeht. 

Keine Verbesserung trotz UN-Konvention

Dies ist besonders bitter, nachdem die Bundesregierung gerade ihren Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der UN Menschenrechtskonvention für Menschen mit Behinderungen mit großem PR-Wirbel gestartet hat. Wie Untersuchungen deutlich zeigen, sind gerade Behinderte und Schwerbehinderte darauf angewiesen, dass ihr Selbstwertgefühl durch erlebte Selbstbestimmung und berufliche Teilhabe gesteigert wird. Unabdingbare Voraussetzung hierfür ist die nachhaltige Inlusion in das Erwerbsleben.

Die Anzahl der schwerbehinderten Menschen nimmt weiter zu: Von 2005 bis 2011 stieg ihre Zahl um 6 Prozent. Dagegen hatten im Jahr 2009 über 37 000 Unternehmen trotz gesetzlicher Pflicht keinen einzigen schwerbehinderten Menschen beschäftigt. Die Anstrengungen dürfen nicht abgebaut, sondern müssen erhöht werden, die gesetzlich vorgegebene Beschäftigungspflichtquote in der Praxis durchzusetzen und dafür auch die vorgesehenen Sanktionsmaßnahmen der Ausgleichsabgabe einzusetzen.

Nach dem Gesetz sind Betriebe mit mehr als 20 Mitarbeitern verpflichtet, die Beschäftigungsquote zu erfüllen. Verstöße gegen die Beschäftigungspflicht sind von der Bundesagentur für Arbeit als Ordnungswidrigkeit mit Bußgeldern bis zu 10 000 Euro ahnden.

Beschäftigungspflichtquote für Schwerbehinderte verstärken

Die gesetzliche Beschäftigungsquote für schwerbehinderte Menschen und die zu ihrer Durchsetzung vorgesehene Ausgleichsabgabe haben nach wie vor große Bedeutung. Dabei zeigt sich, dass das mit der Absenkung der Beschäftigungsquote von 6 auf 5 Prozent angestrebte Ziel von 50 000 zusätzlichen Arbeitsplätzen für Schwerbehinderte keinesfalls erreicht ist. Sie muss daher wieder auf 6 Prozent erhöht werden. Darüber hinaus ist die Ausgleichsabgabe spürbar aufzustocken, die Betriebe zahlen müssen, die ihrer Beschäftigungspflicht für Schwerbehinderte nicht nachkommen.

Bei dem anhaltend hohen Anteil von Betrieben, die sich der Beschäftigungspflicht Schwerbehinderter entziehen, ist eine spürbare Erhöhung der Ausgleichsabgabe erforderlich. Dies muss vor allem dann erfolgen,  wenn Unternehmen ihrer Beschäftigungspflicht dauerhaft nicht nachkommen. Nur dann kann ihre Anreiz- und Ausgleichsfunktion überhaupt zur Wirkung kommen.

Darüber hinaus müssen alle Instrumente verstärkt und eingesetzt werden, um die Ausbildung,  Einstellung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen zu verbessern. Es ist ein Skandal, dass der Anteil der Jugendlichen mit Behinderungen in einer betrieblichen Berufsausbildung an allen Auszubildenden nur ein Prozent beträgt. Hier liegt eine wesentliche Verantwortung von Politik und Wirtschaft, mehr Ausbildungschancen für behinderte und schwerbehinderte Jugendliche zur Verfügung zu stellen. Dies ist am besten geeignet, dem ständig beklagten Mangel an Auszubildenden sowie Arbeits- und Fachkräften entgegenzuwirken.

Als Auftakt zum Europäischen Protesttag für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen am 5. Mai 2012 haben der Berliner Behindertenverband, die Bundesinitiative "Daheim statt Heim" und der SoVD-Landesverband gemeinsam zu einer großen Demonstration unter dem Motto "Rettungsschirme für Alle!" aufgerufen. Die Demonstration findet statt am 27. April 2012, von 11-13 Uhr vor dem Bundeskanzleramt in Berlin.

Autor*in
Ursula Engelen-Kefer

Dr. Ursula Engelen-Kefer leitet den Arbeitskreis Sozialversicherung im Sozialverband Deutschland. Von 1990 bis 2006 war sie stellvertretende Vorsitzende des DGB.

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