Aufgepasst SPD: Die Risiken eines Einwanderungsgesetzes
Der Januar mausert sich langsam aber sicher zum „Wir reden mal über Zuwanderung“-Monat. Letztes Jahr noch durch die CSU und ihrem „Wer betrügt fliegt“ Spruch beflügelt, dieses Jahr durch die Diskussionen um ein Einwanderungsgesetz. Während das Thema bei den Unionsparteien ruckartig an Interesse erfährt und wieder abflaut, ist das Thema Einwanderung ein dauerhafter Begleiter der SPD.
Zu hoffen bleibt, dass die Unionsvertreterinnen und –vertreter das Spielchen mit dem Hochkochen dieses Themas nicht als adäquate Antworte auf Erscheinungen wie Pegida verstehen. Eine passende Antwort auf die Pegidas ist nur eine klare Haltung gegen Hass und Ressentiments.
Nun treibt die SPD Fraktion das Thema Einwanderungsgesetz nach vorne, während die CDU ihren eigenen Generalsekretär wieder einzufangen versucht. Peter Tauber scheint der einzige in seiner Partei zu sein, der Redebedarf beim Thema Migration sieht.
Für die SPD als Partei der Vielfalt ist es selbstverständlich, dass das Thema mehr als nur eine strategische Spielwiese ist. Wir sollten jedoch die Risiken und Chancen des Vorhabens „Einwanderungsgesetz“ genauestens abwägen. Dabei sollten folgende drei Aspekte für eine ordentliche Portion Skepsis sorgen:
1. Nützlichkeit als Argument für eine vielfältige Republik?
Seit Anfang des Jahrtausends haben wir die Geschichte von Einwanderung erzählt, die überlebensnotwendig für unser Reichtum und den Wohlfahrtsstaat ist. Für die Renten, für die Wirtschaft, für die Infrastruktur. Naja, – für fast alles. Unsere Hoffnung war es, auch durch diese Erzählweise, die Akzeptanz für die wachsende Vielfalt in unserem Land zu erhöhen.
Was wir heute haben, ist eine gespaltene Beurteilung von Einwanderung und Einwanderern. Während ein Großteil der Deutschen Einwanderung als wertvoll erachtet, ist die Beurteilung einzelner Gruppen erschreckend negativ. Was von der Geschichte hängen geblieben zu sein scheint ist, dass wir uns die Nützlichen ins Land holen.
Mehr als jeder Fünfte in Deutschland meint einer Studie der Uni Leipzig zufolge: „Sinti und Roma neigen zur Kriminalität“. Knapp 20 Prozent der Deutschen sagen „Muslime in Deutschland bedrohen viele Dinge, die ich in dieser Gesellschaft für gut und richtig halte.“ Und genau so viel glauben: „Die Ausländer kommen nur hierher, um unseren Sozialstaat auszunutzen.“ (Zur Studie)
Roma, Muslime und Flüchtlinge sind in den Augen einer beachtlichen Minderheit „unnütz“. Einen Anteil hieran hat die Ökonomisierung des Migrationsdiskurses. Wir sollten deshalb vorsichtig mit Sätzen sein, wie „Damit stellen wir sicher, dass die Menschen kommen, die unsere Wirtschaft braucht.“ Was ist mit denen, die in den Augen einiger keinen hohen Wert haben und ‚weniger nützlich’ scheinen?
Deshalb muss in Diskussionen um Zuwanderung gelten:
Ein vermeintliches wirtschaftliches Nutzen kann kein Argument für oder gegen Menschen sein! Zeit zur Umkehr.
2. Wer verlässt schon seine Heimat wegen einem Gesetz in einem fremden Land?
Für diejenige die den Pfad der Nützlichkeit-Debatte nicht verlassen wollen, sollten die nackten Zahlen zeigen, dass sie die Wirkung eines Einwanderungsgesetztes grob falsch einschätzen. Die SPD hat in den letzten Jahren einige Erleichterungen für Einwanderungen umgesetzt, etwa bei den Verdienstgrenzen, die für Hochschulabsolventen auf 48.400 Euro und bei Mangelberufen sogar auf 37.752€ abgesenkt wurden. Auch der Zuzug von Fachkräften die einen sogenannten Mangelberuf wurde erleichtert. Jedoch ist Deutschland für Fachkräfte nur so sexy, dass seit 2012 gerade einmal 18.832 Hochqualifizierte mit einer „Blue Card“ nach Deutschland gekommen sind. Die Erzählung vom zweitbeliebtesten Migrationsland der Welt hinkt nämlich, wenn man die Binnenmigration in der EU und die Auswanderung rausrechnet.
In dem Satz „Wir riefen Arbeitskräfte und es kamen Menschen“ steckt weiterhin viel Wahrheit und er passt heute noch. „Arbeitskräfte“ achten vielleicht nicht auf eine Willkommenskultur im Land. Menschen schon. Und die fühlen sich anscheinend weder von einer Pegida-Atmosphäre noch von unübersichtlichen Perspektiven sonderlich angesprochen.
Deshalb ist die Wirkung, die ein mögliches Einwanderungsgesetz haben kann, fragwürdig.
Der Wunsch nach Deutschland einzuwandern, würde durch eine veränderte Willkommenskultur, klare Perspektiven und die Anerkennung der Vielfältigkeit stärker wachsen, als es ein Gesetz ermöglichen wird.
3. Mit der Union?
Manchem hoffnungsvollen Gesetzesbefürworter in der SPD sei die Frage gestellt, ob sie noch wissen, mit wem wir koalieren. Es mag sein, dass der eine oder andere bei der Union aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert erwacht ist und die Realitäten anerkennt. Aber spätestens seit den schwierigen Diskussionen um die Mehrstaatigkeit braucht es keinen weiteren Beweis, dass bei der Geisteshaltung in der Union Hopfen und Malz verloren sind. Erwartet wirklich jemand etwas positives von einem Migrationsvorhaben, was nicht mal vom Koalitionsvertrag gedeckt ist?
Deshalb gilt:
Mit der Union? No way.
Sicherlich: Konkrete Änderungen an den bisherigen gesetzlichen Regelungen sind nötig. Staatsministerin Aydan Özoguz wies zu Recht vor Wochen auf bürokratische Monstren im Bereich Einwanderung hin. Wer die Diskussion aber weiterführen will, der sollte gerade vor dem Hintergrund der genannten Aspekte folgende Forderungen mit berücksichtigen.
- Die aktuelle Diskussion müssen wir stärker für unsere Herzensthemen nutzen und das Thema Flucht immer mit ansprechen. Beispielsweise durch ein fest verankertes Ressettlement-Programm für jährlich 40.000 Flüchtlinge. Nur zum Vergleich: das sind etwa 20% des jährlichen Geburtendefizits in Deutschland.
- Ein Staatsangehörigkeitsrecht schaffen, dass den Angeworbenen signalisiert, dass er willkommen ist und nicht nur sein scheinbarer Nutzen als Arbeitskraft zählt. „Bei uns zählt der gesamte Mensch, wir wollen nicht nur Deine Arbeitskraft“ müssen wir vermitteln. Eine Möglichkeit ist, den Erwerb der Staatsangehörigkeit – wie in Kanada – nach drei Jahren zu ermöglichen.
- Wir müssen endlich die Diskussion darüber führen, was das Deutschsein im heutigen Deutschland ausmacht. Wie vom Rat für Migration oder der Jungen Islamkonferenz vorgeschlagen z.B. durch eine Enquete Kommission.
Kann die SPD diese Punkte nicht erfüllen, so erscheint mir eine Diskurs-Bremse angebrachter, als restriktive Kompromisse mit der Union auf einem Feld, dass für unsere Partei so selbstverständlich ist.