Inland

Arbeitswelt 2030

von Susanne Dohrn · 17. Oktober 2008
placeholder

Für viele Sozialdemokraten ist er ein rotes Tuch. Florian Gerster, ehemaliger Arbeits- und Sozialminister ein Rheinland-Pfalz und Ex-Vorstandsvorsitzender der Bundesagentur für Arbeit, seit 2007 Präsident des neu gegründeten Arbeitgeberverbandes Neue Brief- und Zustelldienste - der private Briefdienstleister vertritt - und vieles mehr, was aufrechte Sozialdemokraten die Zornesröte ins Gesicht treibt. Gerster ist auch Mitglied des Managerkreises der Friedrich-Ebert-Stiftung, SPD-nah und bekannt dafür, dass in den Papieren dieser Gruppierung nicht immer die reine Lehre vertreten wird. In seiner neuesten Veröffentlichung geht es um die "Arbeitswelt 2030". Vorgestellt hat sie Florian Gerster.

Die gute Nachricht: Arbeit wird uns nicht ausgehen. Wirtschaftliches Wachstum kann dafür sorgen, dass es sogar mehr Arbeit geben wird. Was zum Problem werden könnte, wenn immer mehr qualifizierte Arbeitnehmer in Rente gehen, aber sehr viel weniger junge nachwachsen. Da wundert es nicht, dass Florian Gerster ein Lob auf die Rente mit 67 anstimmte. Sie sorge dafür, dass 1,2 Millionen zusätzliche Arbeitskräfte zur Verfügung stehen werden.

Team statt Hierarchie
Die Autoren der Studie sagen eine organisatorische Revolution der Arbeitswelt voraus. Netzwerkarbeit, Projektarbeit auch über Grenzen hinweg würden zunehmen. "Triebkraft ist der wachsende Bedarf nach kundenorientierten Produkten," so die Studie. An die Stelle strenger Hierarchien träten Teamstrukturen, Zielvereinbarungen an die Stelle von Handlungsanweisungen. Die Autoren sagen eine stärkere Erwerbsbeteiligung von Frauen voraus und daraus folgend eine Professionalisierung von haushaltsnahen Dienstleistungen. Sie fordern eine Mischung aus arbeitmarktpolitische Flexibilität und sozialer Sicherheit und sind der Meinung Deutschland könne den Kündigungsschutz nur beibehalten, wenn gleichzeitig "Bypässe" gelegt würden: z.B. durch Zeitarbeit. Einem flächendeckenden Mindestlohn stehen sie skeptisch gegenüber, weil sie negative Auswirkungen auf die Beschäftigung befürchten, und sie fordern mehr Durchlässigkeit nach oben, z.B. die Öffnung von Ingenieurstudiengängen für Menschen aus technischen Berufen.

An die Analyse schließen sich Forderungen an. Die Autoren - allesamt Befürworter der Agenda 2010 - fordern für eine Agenda 2030 für die Arbeitswelt. Von mehr Geburten, über qualifizierte Einwanderung, Verlängerung der Lebensarbeitszeit, bis zur Integration bildungsferner Schichten und mehr Studierende. Darunter auch vieles, was jeder unterschreiben kann, wie betriebliche Weiterbildung auch für die über 50-Jährigen, mehr Durchlässigkeit im Bildungssystem und "die Chancen für sozialen Aufstieg zum gesellschaftlichen Erfolgskriterium" zu machen. Das allerdings sind dann schon wieder Binsenweisheiten. Wie das konkret erreicht werden soll, darüber schweigt sich das Papier aus. Demnächst will sich der Managerkreis dem Thema Bildung zuwenden.

Florian Gerster (Federführung), Martin Dietz, Ulrich pfeiffer, Hilmar Schneider, Max Brändle (Mitarbeit), Arbeitswelt 2030. Managerkreis der Friedrich-Ebert-Stifung, Oktober 2008, www.mangagerkreis.de

Autor*in
Avatar
Susanne Dohrn

ist freie Autorin und ehemalige Chefredakteurin des vorwärts.

0 Kommentare
Noch keine Kommentare