"Die Humanisierung der Arbeit ist ein ureigenes sozialdemokratisches und gewerkschaftliches Thema", sagte Helmut Weber von der FES. Im Streiten für eine gerechte Arbeitswelt besäßen
Wissenschaft und Forschung eine besondere Bedeutung.
"Das Rad wurde zurückgedreht"
Wie groß diese sein kann, unterstrich Dieter Sauer, Professor am Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung in München. Er umriss in seinem Vortrag die historische Entwicklung in der
Arbeitspolitik. Ausgehend von den Humanisierungsinitiativen der siebziger Jahre über neue Managementkonzepte in den Neunzigern bis zum steigenden Problem der Arbeitslosigkeit in der Gegenwart
zeigte Sauer die verschiedenen Schwerpunkte auf. "Heute ist die Qualität der Arbeit kein Thema mehr", so der Arbeitswissenschaftler. "Das Rad der Arbeitsbeteiligung wurde kräftig zurückgedreht."
Arbeitnehmer verzichteten heute freiwillig auf viele Rechte, weil sie Angst vor dem Verlust ihres Arbeitsplatzes hätten. Das ständige Hochschrauben von Renditeerwartungen durch die
Unternehmen erhöhe den Druck auf die Arbeitnehmer. "Die Zahl psychischer Erkrankungen hat in den letzten Jahren sprunghaft zugenommen", warnte Sauer.
Da verwundert es nicht, dass Arbeitsplatzsicherheit ein wesentlicher Faktor dafür ist, was "gute Arbeit" ausmacht. Im DGB-Index "Gute Arbeit" rangiert sie auf dem ersten Platz. "85 Prozent
der Befragten ist ein sicherer Arbeitplatz äußerst wichtig", erklärte Lothar Schröder. Als Mitglied des ver.di-Bundesvorstands stellte er den Index, der 2007 erstmalig erhoben wurde, vor. "Unser
Ziel ist es, einen Maßstab zu geben, an dem sich die Betriebe messen können." Erstmals seien die Arbeitsbedingungen aus Sicht der Beschäftigten einem Benchmarking unterworfen worden.
"Preisdrückerei führt zu Lohndrückerei"
Wie wichtig der Vergleich zwischen Unternehmen geworden ist, betonte Rolf Büttner, Weltpräsident des "Union Network International", das für Post- und Logistikunternehmen zuständig ist.
"Preisdrückerei führt zu Lohndrückerei", so seine These. Die Auswirkungen der Globalisierung auf die Arbeitsqualität im Postsektor seien verheerend. So hätten Deregulierung und Flexibilisierung zu
einem massiven Anstieg von Billiglöhnen geführt. "Dem global agierenden Management müssen wir deshalb eine globale Gewerkschaftsbewegung gegenüber stellen", sagte Büttner.
"Flächendeckende Mindestlöhne müssen her", forderte hingegen die designierte stellvertretende Bundesvorsitzende der SPD, Andrea Nahles. "Wir werden uns Branche für Branche vornehmen!" Für
viele Beschäftigten würden heute keine Standards in der Bezahlung und im Arbeitsschutz mehr gelten.
"Gute Gewinne der Unternehmen und gute Löhne für die Arbeitnehmer lassen sich vereinbaren", zeigte ich Thomas Vajna überzeugt. Und der Geschäftsführer des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall
ergänzte: "Man muss innovativ sein und eine breite Produktpalette anbieten; dann gewinnen alle."
Ist Arbeit also dann gut, wenn alle gutes Geld verdienen? "Die Wertschätzung von Arbeit beschränkt sich seit zehn bis fünfzehn Jahren darauf, dass es nur darum geht, überhaupt einen
Arbeitsplatz zu haben. Das sehe ich kritisch", sagte Arbeitswissenschaftler Dieter Sauer. Und Volker Schroeter von der FES, der die Veranstaltung moderierte, brachte es noch treffender auf den
Punkt: "Ich will nicht, dass wir eines Tages in Deutschland zu chinesischen Bedingungen mit indischen Löhnen amerikanische Produktivitätsraten erzeugen."
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