Inland

Angriff in Halle: Diaby sieht Hetze als Grundlage für antisemitische Gewalt

Halle liegt im Wahlkreis des SPD-Abgeordneten Dr. Karamba Diaby. Er sieht eine eindeutige Verbindung zwischen rassistischer Hetze und dem antisemitischen Angriff auf die Synagoge. Die Menschen in der Stadt sind immernoch schockiert, sagt er.
von Benedikt Dittrich · 10. Oktober 2019
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Dr. Karamba Diaby, schon am Mittwochabend haben viele über den antisemitischen Angriff in Deutschland berichtet, was ist einen Tag danach in Halle los?

Ich komme gerade von einer Gedenkveranstaltung an der Synagoge. Heute Nachmittag ist noch eine Gedenkveranstaltung auf dem Marktplatz in Halle und eine Andacht in der Marktkirche, auch der Bundespräsident hat sich angekündigt. Am Abend wird es auch noch eine Mahnwache geben, wie es sie Mittwochabend auch schon gab.

Die Anteilnahme in Halle ist also groß?

Ja, sehr groß. Selbst die internationale Presse ist vertreten. Als ostdeutscher Politiker sehe ich das aber auch ein wenig zwiespältig. Leider kommen die Medien vor allem dann nach Halle, wenn so etwas Schlimmes passiert.

Wie ist denn die Stimmung vor Ort gerade, einen Tag nach dem Angriff?

Die Menschen sind immer noch geschockt. Der Alltag hat noch nicht wieder begonnen.

Sehen Sie Parallelen zu anderen Angriffen und Entwicklungen in Deutschland in den vergangenen Jahren und Monaten?

Absolut. In den vergangenen Jahren sind rechtsextreme Tendenzen in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Bestimmte Hassparolen und Hetze die verbreitet werden, in Reden im Landtag, im Bundestag, tragen dazu bei, dass manch einer sich bestätigt fühlt und das in Taten umsetzt. Dass dieser Hass schon fast Normalität geworden ist, ist die Grundlage für Gewalttaten von Rechtsextremisten. Das sollte uns zu denken geben. Wollen wir, dass Hass und Hetze als Normalität betrachtet werden? Und wenn eine Politikerin wie Renate Künast sich das nicht mehr gefallen lassen will, bestärken Gerichtsurteile sogar diejenigen, die Hass verbreiten. Das ist enttäuschend. 

„Es gibt in Halle eine sehr wachsame Zivilgesellschaft“

Es gibt in Halle, in der Nähe zur Synagoge, auch ein Haus der Identitären Bewegung.

Die Identitäre Bewegung hat das Haus in Halle schon vor mehreren Jahren bezogen. In demselben Haus hatte auch mal ein Abgeordneter der AfD sein Bürgerbüro, inzwischen ist er aber ausgezogen. Allerdings liegt das Haus genau gegenüber der Universität. Das ist schon eine Provokation und sehr bedenklich. Aber es gibt in Halle eine sehr wachsame Zivilgesellschaft, die sehr gut organisiert und sehr aktiv ist gegen rechts. Die machen unheimlich gute Arbeit und das ist ein großer Vorteil.

Wie beurteilen Sie die Arbeit der Sicherheitsbehörden und der Polizei vor Ort?

Ich bemerke nur, dass es in Halle jetzt ein großes Polizeiaufgebot gibt. Ich bin kein Innenpolitiker, deswegen kann ich die Arbeit der Sicherheitsbehörden nicht bewerten. Die Kritik, dass die Synagoge an diesem jüdischen Feiertag nicht geschützt war, ist allerdings ernst zu nehmen. Darüber sollten sich auch Politiker vor Ort Gedanken machen, was da möglicherweise schief gelaufen ist.

War es für Sie vor diesem Angriff denkbar, dass eine Synagoge in Deutschland wieder Ziel eines Angriffs werden könnte?

Die Entwicklung in Deutschland macht mir generell Sorgen. Das was in Halle passiert ist, hätte aber überall passieren können. Wir sollten uns von solch feigen Taten nicht einschüchtern lassen.

Autor*in
Benedikt Dittrich

war von 2019 bis Oktober 2022 Redakteur des „vorwärts“.

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