Der Parteikonvent der CSU im schicken Postpalast in München hätte eine pompöse Party werden sollen, gekrönt von der Kür des Spitzenkandidaten Horst Seehofer. Doch der CSU-Wahlkampfauftakt ist gründlich daneben gegangen. Denn die Verwandten- oder Amigo-Affäre verhagelte der Parteibasis die Stimmung.
Draußen vor dem Postpalast stehen Demonstranten der SPD mit mexikanischen Strohhüten und Ponchos als „Amigos“ verkleidet. Sie tragen Seehofer-Buttons auf denen „Saludos Amigos!“ steht. Eine Mariachi-Combo kommt gegen die bayerische Blasmusik von der anderen Straßenseite nicht an. Auf den hochgehaltenen Schildern steht: „CSU – Chronische Selbstbediener Union“.
Im Postpalast drängen sich derweil 1500 CSU-Mitglieder und verdiente Bürger, die zur großen Partei-Show nach amerikanischem Vorbild eingeladen sind. Über die Demonstranten draußen regt man sich nicht wirklich auf. Denn Hauptthema am Rande der Veranstaltung ist die neue Amigo-Affäre selbst. Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU) hatte kurz zuvor die Liste von 79 betroffenen Abgeordneten veröffentlicht. Immer wieder fallen Namen von Abgeordneten oder Kabinettsmitgliedern, die enge Familienmitglieder beschäftigt haben. Gehälter werden genannt, die so manchem aufrechten Bayern die Zornesröte ins Gesicht treibt. Von „Spezlwirtschaft“ wird gesprochen.
Die Empörung ist groß
Erinnerungen an die alte CSU werden wach, an die CSU von 1993, als Ministerpräsident Max Streibl über einen Bestechungsskandal, die sogenannte „Amigo-Affäre“, stürzte. Doch diesmal geht es nicht um Rechtsverstöße. Denn es ist im bayerischen Landtag nicht verboten, was die 79 Abgeordneten getan haben. Aber es ist moralisch inakzeptabel. Die Empörung über diese Selbstbedienungsmentalität ist innerhalb der CSU und in ganz Bayern groß.
Im Jahr 2000 hatte das bayerische Parlament verboten, dass Ehegatten, Kinder, Eltern und eingetragene Lebenspartner von Abgeordneten angestellt werden. Die findigen Volksvertreter hatten sich jedoch eine Ausnahme ins Gesetz geschrieben, nach der Alt-Verträge bestehen bleiben können. Von dieser Ausnahmeregelung haben seither 79 Abgeordnete Gebrauch gemacht, sie sind zum großen Teil von der CSU. Im aktuellen Landtag sind es 17 Fälle – alles CSU-Abgeordnete.
Sechs Kabinettsmitglieder sind verwickelt
Sogar sechs Kabinettsmitglieder sind verwickelt. Agrarminister Helmut Brunner, Kultusstaatssekretär Bernd Sibler, Innenstaatssekretär Gerhard Eck, Finanzstaatssekretär Franz Pschierer und Justizministerin Beate Merk haben zugegeben Familienangehörige beschäftigt zu haben. Bislang kündigte nur Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) Konsequenzen an. Am Rande des Parteikonvents sagte er, dass er die 34.000 Euro zurückzahlen will, die seine Frau seit 2008 als seine Mitarbeiterin erhalten hat.
Parteichef Horst Seehofer hält das für den richtigen Weg. „Er wird für die Kabinettsmitglieder Fortsetzung finden“, sagt er. Bei seiner Rede kommt der CSU-Spitzenkandidat noch einmal auf die Amigo-Affäre zu sprechen. Viele im Saal hatten nur darauf gewartet. Es müsse konsequent reiner Tisch gemacht werden. Dazu seien drei Dinge notwendig, sagte Seehofer. „Erstens: eine ehrliche und offene Aufklärung.“ „Zweitens: eine zügige Änderung der Rechtsgrundlage.“ „Drittens: personelle Konsequenzen, wenn es sich um besonders eklatante Fälle handelt.“
Der Beifall für Seehofer ist mäßig
Dass die Stimmung in der Halle nicht besonders gut ist, merkt man an dem mäßigen Beifall, den Seehofer für diese Stellungnahme erhält. Erst als er sich gegen „Diffamierungen“ durch die SPD wehrt, gibt es tosenden Applaus. Eine Partei, die aufkläre und hart durchgreife, brauche sich keine Häme von der SPD gefallen zu lassen, poltert er und weiter: „Wir bekennen uns zu unseren Fehlern, aber Schlitten fahren lassen wir mit uns nicht.“
In der überhitzten Halle sind anschließend alle dankbar – womöglich, weil die langen Reden endlich zu Ende gehen. Der Applaus ist befreiend und anhaltend. Mit dem Bayernlied und der Nationalhymne geht es zum gemütlichen Teil der Party über. An den Stehtischen bleibt die Amigo-Affäre jedoch das Hauptthema.
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