100 Jahre Friedrich-Ebert-Stiftung: Warum es jetzt auf Europa ankommt
Im Jahr, als Friedrich Ebert starb, forderte die Sozialdemokratie erstmals die Vereinigten Staaten von Europa. 100 Jahre später wird beim Jubiläum der nach ihm benannten Stiftung deutlich, warum ein geeintes Europa wichtiger denn je ist.
Friedrich-Ebert-Stiftung / M. Strehlau
EU-Ratspräsident António Costa, der FES-Vorsitzende Martin Schulz und Bundeskanzler Olaf Scholz
Einen Tag nach Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier kam auch Bundeskanzler Olaf Scholz, um den 100. Geburtstag der Friedrich-Ebert-Stiftung zu feiern. Er erinnerte daran, wie der damalige, am 28. Februar 1925 verstorbene Reichspräsident „unter allerschwersten Bedingungen“ die Demokratie in der Weimarer Republik stabilisierte. „Schon das allein war unendlich viel und es war ganz maßgeblich das Verdienst von Friedrich Ebert“, sagte der Kanzler beim Festakt in Berlin. Dessen überlieferter Satz „Demokratie braucht Demokraten“ gelte heute ebenso wie vor 100 Jahren. „Auch heute sind wieder Leute unterwegs, die den Menschen weismachen wollen, früher sei alles besser gewesen“, sagte Scholz.
Scholz zeigt sich selbstkritisch
Zweieinhalb Wochen nach der verlorenen Bundestagswahl zeigte sich der scheidende Kanzler selbstkritisch: „Wir sind nicht gut genug gewesen, diesem Sound die Botschaft begründeter Zuversicht entgegenzusetzen. Daran müssen wir arbeiten und auch dafür wird die Friedrich-Ebert-Stiftung gebraucht.“ Denn Populist*innen versprächen Sicherheit vor dem Wandel. Das sei jedoch falsch und trügerisch. „Wir haben die besseren Ideen und deswegen liegt darin die große Aufgabe der Sozialdemokratie in den kommenden Jahrzehnten. Wir wissen: Sicherheit durch Wandel und Sicherheit im Wandel – beides gehört zusammen“, machte Scholz daher klar.
António Costa, Präsident des Europäischen Rates und zuvor langjähriger Premierminister Portugals, lobte Scholz für seine „Führungsstärke und den Mut, das Richtige zu tun“. Er habe auf europäischer Ebene nach dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine entschlossen dafür gesorgt, dass die Energieversorgung innerhalb der Europäischen Union sichergestellt sei. „Wir alle schulden Olaf Scholz unseren Dank“, sagte Costa und fügte mit Blick auf Scholz‘ Wahlniederlage an: „Ich bin mir sicher, dass die Geschichte ihm den richtigen Platz zuweisen wird. Politik ist nicht immer fair, die Geschichte schon.“
Unterstützung für Ukraine muss weitergehen
Zugleich machte der Ratspräsident deutlich: „Wir brauchen Deutschland mit seinen entschlossenen Investitionen in unsere gemeinsame Verteidigung und der Fähigkeit seiner demokratischen Kräfte, sich gemeinsam für das Gemeinwohl einzusetzen.“ Denn der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine habe gezeigt, wie dringend notwendig der Aufbau einer europäischen Verteidigung sei. „Europa muss die Ukraine weiter unterstützen.“
„Denn die Sicherheit der Ukraine ist die Sicherheit Europas“, forderte Costa. Wenn Russland der Meinung sei, dass die Grenzen der Ukraine nur eine Linie auf einer Landkarte seien, warum sollte es dann die Grenzen anderer Länder respektieren, fragte der Ratspräsident und schloss an: „Indem wir die Ukraine unterstützen, schaffen wir die Voraussetzung für einen gerechten, dauerhaften, umfassenden Frieden in der Ukraine und in Europa.“
Costa: „Ich bin auch ein Ergebnis der Friedrich-Ebert-Stiftung“
Costa lobt die Arbeit der Friedrich-Ebert-Stiftung, die maßgeblich am Aufstieg Portugals von einer 48-jährigen Diktatur zu einer stabilen Demokratie beteiligt gewesen sei. So wurde die Portugiesische Sozialistische Partei 1973 in der damaligen Tagungsstätte der FES in Bad Münstereifel gegründet. „Die Unterstützung der Stiftung und das Engagement von Willy Brandt und Helmut Schmidt waren entscheidend, um die totalitären Kräfte zu besiegen und den Triumph der Demokratie unter der Führung der sozialistischen Partei zu sichern. Wir werden Ihre Freundschaft und Unterstützung nie vergessen“, sagte Costa und fügte an: „Ich bin auch ein Ergebnis der Friedrich-Ebert-Stiftung.“
Eine Gemeinsamkeit, die er mit dem SPD-Partei- und Fraktionsvorsitzenden Lars Klingbeil teilt, der während des Studiums Stipendiat der Friedrich-Ebert-Stiftung war. Am Mittwochnachmittag berichtete er von seinem Auswahlgespräch mit Ralf Stegner und fügte mit einem Augenzwinkern an: „Alle Beschwerden über mich bitte an Ralf Stegner.“
Doch dann wurde Klingbeil ernster. „Der Westen, wie wir ihn kannten, ist spätestens mit der Wiederwahl von Donald Trump am Ende“, sagte er. Auch deswegen werde Europa mehr denn je gebraucht. „Wir müssen uns in dieser neuen Welt zurechtfinden und wir müssen unsere Rolle neu definieren, wenn wir unsere Sicherheit, Freiheit und unseren Wohlstand schützen wollen. Das gelingt nur, wenn wir Europa endlich stark machen“, forderte Klingbeil.
Klingbeil fordert Bereitschaft zu Führungsrolle
Zugleich sei Europa so fragil wie lange nicht. „Europa steht an einem Scheideweg, entweder raffen wir uns auf und gehen gemeinsam voran oder Europa stirbt“, machte der SPD-Vorsitzende deutlich und stellte daher vier europapolitische Forderungen auf: den Schengen-Raum verteidigen, in der Handelspolitik schnell und angemessen auf Trumps Drohgebärden reagieren, ein neuer wirtschaftlicher Aufbruch in Europa und mehr Anstrengungen in der Sicherheitspolitik. Denn: „Der Frieden in Europa ist heute in Gefahr“, sagte Klingbeil. Um ihn zu verteidigen, komme Deutschland eine Führungsrolle zu. „Wir müssen bereit sein, diese Führungsrolle auch einzunehmen“, forderte er.
Martin Schulz erinnerte im Zuge dessen als Vorsitzender der Friedrich-Ebert-Stiftung daran, dass die Sozialdemokratie bereits vor 100 Jahren in ihrem Heidelberger Programm die Vereinigten Staaten von Europa gefordert habe. Nach dem Zweiten Weltkrieg sei es „ein großes historisches Geschenk der anderen europäischen Völker an uns Deutsche“ gewesen, Deutschland wieder Vertrauen entgegenzubringen. Dadurch sei Deutschland eine europäische Nation geworden und habe zugleich zur Europäisierung beigetragen.
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo