Vor 40 Jahren: Beide deutsche Staaten werden 1973 in die UNO aufgenommen. Als erster Bundeskanzler spricht Willy Brandt vor der Generalversammlung.
Der Kuppelsaal der UN-Generalversammlung in New York ist dicht gefüllt, die Stimmung in diesem historischen Moment feierlich. Es ist der 18. September 1973, ein Dienstag. Leopoldo Benites aus Ecuador, der Präsident der Generalversammlung, klopft um 17.43 Uhr abschließend einmal mit seinem Holzhammer auf das Pult und sagt: „Es ist beschlossen“.
Als 133. und 134. Mitglied der Vereinten Nationen werden die Deutsche Demokratische Republik und die Bundesrepublik Deutschland aufgenommen. Der Applaus ist eher zurückhaltend. Die Delegationen der DDR und der Bundesrepublik werden vom Protokollchef zwischen Gambia und Ghana platziert, getrennt durch einen 1,80 Meter breiten Gang.
Damit hatte der Status beider deutscher Staaten eine Klärung gefunden. Seit 1955 hatte die Bundesrepublik mit der Hallstein-Doktrin versucht, eine Anerkennung der DDR durch Drittstaaten zu verhindern und ihren Alleinvertretungsanspruch durchzusetzen. Staaten, die diplomatische Beziehungen zur DDR aufnahmen, wurden mit Sanktionen belegt.
Eine Mitgliedschaft einer der beiden deutschen Staaten bei den Vereinten Nationen kam nicht infrage, sie wäre am Veto im Sicherheitsrat gescheitert. Denn die BRD wurde von den Westmächten unterstützt, die DDR von der Sowjetunion. Eine verfahrene Situation, die mit Beginn der Entspannungspolitik zwischen den Supermächten Ende der 60er Jahre als Relikt des Kalten Krieges betrachtet wurde, das Fortschritte in Europa verhinderte. Um den Ost-West-Konflikt zu überwinden, musste auch das Schicksal Deutschlands geklärt werden.
So war es ein Glücksfall, dass 1969 eine Koalition aus SPD und FDP an die Regierung kam, die sich von den alten Positionen in der deutschen Frage lösen konnte und sich an den politischen Realitäten orientierte. Die Ostpolitik von Bundeskanzler Willy Brandt wirkte wie ein Befreiungsschlag. Stück für Stück wurden die Konflikte gelöst, die der Entspannung entgegenstanden. Mit den Verträgen von Warschau und Moskau 1970 wurde die Unverletzlichkeit der Grenzen anerkannt. Es folgte 1971 das Vier-Mächte-Abkommen, das den Status der geteilten Stadt Berlin klärte.
Im Grundlagenvertrag von 1972 wurde schließlich das Verhältnis zur DDR geregelt. Vereinbart wurde die Entwicklung von normalen gutnachbarlichen „Beziehungen zueinander auf der Grundlage der Gleichberechtigung“. Staatsrechtlich wurde damit die DDR anerkannt, jedoch nicht völkerrechtlich. Deshalb wurden in Bonn beziehungsweise Ost-Berlin auch keine Botschaften eingerichtet, sondern nur „ständige Vertretungen“.
Die Deutsche Frage blieb offen
Ob mit dem Grundlagenvertrag die Wiedervereinigung Deutschlands aufs Spiel gesetzt wurde, darüber wurde in der Bundesrepublik in dieser Zeit heftig gestritten. Der Bundestag billigte jedoch den Grundlagenvertrag am 11. Mai 1973 mit 268 zu 217 Stimmen. In dem Vertrag war auch vereinbart worden, dass beide deutsche Staaten den Vereinten Nationen beitreten. Dem stimmte der Bundestag mit großer Mehrheit zu.
Willy Brandt, der für seine erfolgreiche Entspannungspolitik 1971 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden war, sah Deutschland weiterhin als eine Nation an. Das betonte er am 26. September 1973 bei der ersten Rede eines deutschen Bundeskanzlers vor der UN-Generalversammlung in New York. „Ich spreche zu Ihnen als Deutscher und als Europäer. Genauer: Mein Volk lebt in zwei Staaten und hört doch nicht auf, sich als eine Nation zu verstehen.“ Brandt macht jedoch gleichzeitig klar, dass die strittige deutsche Frage die Arbeit der Vereinten Nationen nicht belasten werde: „Wir sind nicht hierher gekommen, um die Vereinten Nationen als Klagemauer für die deutschen Probleme zu betrachten oder um Forderungen zu stellen, die hier ohnehin nicht erfüllt werden können. Wir sind vielmehr gekommen, um – auf der Grundlage unserer Überzeugungen und im Rahmen unserer Möglichkeiten – weltpolitische Verantwortung zu übernehmen.“