Geschichte

Willy Brandt: So wechselhaft war sein Verhältnis zu Amerika

Willy Brandt bewunderte und kritisierte die USA. Im Kalten Krieg suchte er in Mittel- und Südamerika neue Verbündete. Auf einer Konferenz der Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung in Berlin wurde nun das spannende Verhältnis Brandts zu „den Amerikas“ diskutiert.
von · 13. Juni 2016
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In der US-Politik galt Willy Brandt als „amerikanischster Politiker in Deutschland“. Kein Wunder: Charisma, persönlicher Zugang zu Politik, bewegende Biografie – Brandt verfügte über viele Eigenschaften, die im amerikanischen Politikbetrieb geschätzt wurden und werden.

Willy Brandts Blick auf die Amerikas

Trotzdem war das Verhältnis des Deutschen zu den USA wechselhaft. Der Frage, wie genau dieses Verhältnis aussah und welche Rolle Willy Brandt für die USA spielte, widmete sich die internationale Konferenz „Willy Brandt and the Americas, 1974-1992“ in Berlin. Die von der Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung organisierte und von der Friedrich-Ebert-Stiftung, dem German Historical Institute Washington DC sowie dem Berliner Kolleg Kalter Krieg unterstützte Veranstaltung wollte den Blick aber nicht nur auf die USA richten – sondern auch auf Zentral- und Südamerika.

Vor dem Hintergrund des Kalten Kriegs suchte Brandt dort nach neuen Partnern abseits der blockpolitischen Spaltung in Ost und West: Er versuchte, auch nach seiner aktiven Zeit als Politiker, für das sozialdemokratische Modell zu werben. Dabei geriet er oft in Konflikt mit der US-Außenpolitik, die sich mit der Sowjetunion in der sogenannten „Dritten Welt“ Stellvertreterkriege lieferte.

Brandt bezog Zivilgesellschaften ein

Andreas Daum, Geschichtsprofessor an der University at Buffalo, nannte die Herangehensweise der Konferenz „akteursorientiert“. Laut Bernd Rother von der Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung sollte Brandt als Ausgangspunkt dienen, „um zu verstehen, was wir als neue Entwicklungen in den internationalen Beziehungen in den 1970er Jahren sehen.“ Zu diesen Entwicklungen gehörten u.a. die Globalisierung und die zunehmende politische Beteiligung von nicht-staatlichen Akteuren.

Das Besondere an Willy Brandts politischen Aktivitäten während dieser Zeit sei gewesen, dass er sich nicht nur auf staatliche Akteure konzentrierte, sondern auch zivile Akteure im Auge hatte, so Bernd Greiner vom Berliner Kolleg Kalter Krieg. Willy Brandt habe versucht, „eine sich verändernde Welt zu prägen“. Er wollte in Sachen Frieden und Sicherheit nicht nur auf die beiden Supermächte vertrauen.

Loyal und kritisch zugleich

Brandts Verhältnis zu Amerika, das wurde in den verschiedenen Vorträgen und Diskussionen deutlich, war wechselhaft. So war sich Brandt als ehemaliger Berliner Bürgermeister einerseits bewusst, dass die Sicherheit West-Berlins durch die USA garantiert wurde. Deshalb, und weil er die lange US-amerikanische demokratische Tradition bewunderte, war er den USA gegenüber loyal.  

Andererseits kritisierte er den amerikanischen Kapitalismus und den Krieg in Vietnam, wenn auch meist eher zurückhaltend – einem Verbündeten wollte er nicht auf die Füße treten. In den USA selbst wurde Brandt zeitweise ebenfalls kritisch gesehen: Man misstraute seinem Ansatz des demokratischen Sozialismus, der für viele verdächtig nach Kommunismus klang. Und natürlich prägten auch persönliche Beziehungen Brandts Verhältnis zu Amerika: Mit John F. Kennedy identifizierte er sich, Jimmy Carter respektierte er. Richard Nixon und Ronald Reagan begegnete er kritisch.

Wer hatte recht: Brandt oder Schmidt?

Ein Vergleich zwischen Willy Brandt und seinem Nachfolger im Kanzleramt, Helmut Schmidt, warf die Frage auf, wer von den beiden rückblickend auf der „richtigen“ Seite der Geschichte stand. Eine eindeutige Antwort darauf gab es nicht – was oder wer Geschichte und Diplomatie antreibt, darüber gehen die Meinungen sowieso auseinander.

Andreas Daum wagte trotzdem ein Fazit und betonte dabei die menschliche Dimension von Politik: Willy Brandt habe einen sehr persönlichen Zugang zu Politik gehabt und er habe besser als andere verstanden, dass Politiker auch nur Menschen sind. „Sie haben Fehler und wir müssen mit ihnen fertig werden, so wie sie sind“, sagte Daum. Es gebe eben nicht nur Helden oder Bösewichte. Gerade in einer sich ständig verändernden Welt.

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