Geschichte

Willy Brandt im Visier der Stasi

von Sarah Schönewolf · 21. November 2013

Zum 100. Geburtstag Willy Brandts wird viel über den Ausnahmepolitiker geschrieben und gesprochen. Sein Verhältnis zur Stasi spielt dabei nur selten eine Rolle. Am Dienstagabend diskutierten darüber die Historikerin Daniela Münkel unter anderem mit ihrem Kollegen Peter Brandt, dem Sohn des Ex-Kanzlers.

Die Guillaume-Affäre, die Enttarnung des persönlichen Referenten des Bundeskanzlers Willy Brandt als DDR-Spion 1974, mag das erste sein, was einem zum Verhältnis zwischen Willy Brandt und der Staatssicherheit der DDR einfällt. Dabei stellt sie nur den öffentlichen Höhepunkt einer Beziehung dar, die bereits in den fünfziger Jahren – etwa zeitgleich zur Anwerbung Guillaumes durch das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) – begann.

 Das Verhältnis des DDR-Geheimdienstes zu Willy Brandt war ein zwiespältiges und es wandelte sich im Laufe der politischen Karriere des SPD-Politikers, hat die Historikerin Daniela Münkel herausgefunden. Die Projektleiterin beim Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen gewährte am Dienstagabend im Berliner Abgeordnetenhaus einen Einblick in die teils erfolgreichen, teils gescheiterten Versuche der Stasi, Brandt zu kompromittieren.

Diffamierungsversuche

„Bereits in den fünfziger Jahren versuchte das MfS Brandt, den Frontstadtbürgermeister zu diffamieren“, sagte Münkel. Etwa indem sie Georg Angerer, einen Leipziger Schriftsetzer, der Brandt aus dessen Exil in Norwegen kannte, unter Druck setzte und versuchte, mit seiner Hilfe eine Zusammenarbeit des Berliner Bürgermeisters mit der Gestapo nachzuweisen. Ein Versuch, der mangels glaubwürdiger Beweise scheiterte.

Wesentlich erfolgreicher als die Diffamierungskampagnen in der DDR sei das Wirken der Stasi in die Bundesrepublik hinein gewesen, so die Einschätzung Münkels. Die Autorin des Buches „Kampagnen, Spione, geheime Kanäle“ verwies unter anderem auf die Zusammenarbeit zwischen dem DDR-Geheimdienst und den politischen Gegnern Brandts im Bundestagswahlkampf 1961. So sei die politische Rechte in Bayern, die die Exiljahre Brandts im Nachhinein nutzte, um seine moralische Glaubwürdigkeit zu beschädigen, von Inoffiziellen Mitarbeitern der DDR-Staatssicherheit unterstützt worden.

Wie erfolgreich die Diskreditierung des SPD-Kanzlerkandidaten war, zeige auch der Ausspruch des CSU-Politikers Franz Josef Strauß zu Brandts Exilzeit: "Eines wird man doch aber Herrn Brandt fragen dürfen: Was haben Sie zwölf Jahre lang draußen gemacht? Wir wissen, was wir gemacht haben." Auch der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer habe sich an der Schmutzkampagne beteiligt, indem er von „Herrn Brandt alias Frahm" sprach und so subtil auf die uneheliche Herkunft des SPD-Politikers und dessen Exilzeit verwies.

Stasi- Unterstützung

Während SED-Führung und Stasi Brandt zunächst als eine Gefahr eingeschätzt hätten, der sie vergeblich Herr zu werden suchten, habe sich die Einstellung der DDR-Oberen ab Mitte der sechziger Jahre verändert. Ausschlaggebend hierfür sei Brandts „Politik der kleinen Schritte“ gewesen. Die Entspannungspolitik wurde von der DDR begrüßt. Die Unterstützung Brandts war nun das erklärte Ziel.

Am deutlichsten zeigte sich dies beim gescheiterten Misstrauensvotum gegen Brandt 1972. Damals erkaufte ihm die Stasi die Stimmen von zwei Unionsabgeordneten. Genau die Zahl, die für die Abwahl Brandts fehlten, der somit bis zum Bekanntwerden der Guillaume-Affäre 1974 westdeutscher Regierungschef blieb.

„Günter Guillaume wollte Willy Brandt nichts Böses“, urteilte Peter Brandt, der an einer Podiumsdiskussion im Anschluss an den Vortrag Münkels teilnahm. Der Sohn Willy Brandts hat den DDR-Spion selbst mehrfach getroffen und ihn als „kumpelhafter Mensch, der ansonsten unauffällig war“ kennengelernt. Der Historiker ist sich sicher, dass Guillaume geglaubt habe, sich sowohl gegenüber der DDR als auch gegenüber Willy Brandt loyal zu verhalten. "Er glaubte in beiden Funktionen, in dieselbe Richtung zu arbeiten", so Brandt. Die Diffamierungskampagnen der Stasi gegen seinen Vater, sie hätten letzlich nicht funktioniert, urteilte Brandt. Schließlich habe die SPD mit Brandt bei jeder Bundestagswahl bis 1972 Stimmen hinzugewonnen. „Wer weiß, vielleicht wären es höchstens noch mehr Prozente gewesen."

Daniela Münkel: Kampagnen, Spione, geheime Kanäle. Die Stasi und Willy Brandt. 83 Seiten broschiert. Schutzgebühr € 2,50. Zu beziehen über: publikation@bstu.bund.de oder als Download: www.bstu.bund.de/willybrandt_studie

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Sarah Schönewolf
Sarah Schönewolf

ist Diplom-Politologin und Redakteurin des vorwärts.

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