Geschichte

Wie die SPD zur Frauenquote kam – und wie sie das Land veränderte

Am 30. August 1988 stimmte die SPD nach jahrzehntelanger Auseinandersetzung für die Frauenquote. Nicht alle Sozialdemokratinnen waren damals begeistert.
von Renate Faerber-Husemann · 30. August 2018
Die Frauenquote zeigt Wirkung: Auf dem Parteitag in Münster 1988 wurde Herta Däubler-Gmelin zur ersten  stellvertretenden Parteivorsitzenden gewählt.
Die Frauenquote zeigt Wirkung: Auf dem Parteitag in Münster 1988 wurde Herta Däubler-Gmelin zur ersten stellvertretenden Parteivorsitzenden gewählt.

„Vor der Quote haben die Männer immer gesagt, leider, leider haben wir keine Frauen, die bereit sind, zu kandidieren. Das änderte sich dann ganz schnell“, erinnert sich Herta Däubler-Gmelin. Vor allem in die lokalen Parlamente seien die Frauen eingezogen „und sorgten dafür, dass der Alltag der Familien besser wurde, durch andere Kindergarten-Öffnungszeiten, durch Busverbindungen, die besser angepasst waren an Schul- und Arbeitszeiten“. Auf dem denkwürdigen „Quoten- Parteitag“ am 30. August 1988 in Münster wurde Däubler-Gmelin zur ersten weiblichen stellvertretenden Parteivorsitzenden in der Geschichte der SPD gewählt.

Sozialdemokratinnen fürchteten die „Quotenfrau“

Auch das eine Folge des Quotenbeschlusses, denn Vorsitz und Stellvertreter, das war bis zu diesem Tag reine Männersache. Hans-Jochen Vogel war damals Parteivorsitzender und stand auf der Seite der Frauen – was wahrlich nicht für alle Genossen galt. Denn jeder Platz für eine Frau war einer weniger für einen Mann. Es war also ein Machtkampf, der sich hinter den Kulissen abspielte.

Und auch nicht alle Politikerinnen waren begeistert. Sie fürchteten den Aufkleber „Quotenfrau“. Dennoch kam die notwendige Zweidrittel-Mehrheit zustande. Mit 362 gegen 54 Stimmen wurde die Frauenquote abgesegnet. Eine der unermüdlichen Kämpferinnen für die Quote war Inge Wettig-Danielmeier. Von 1981 bis 1992 war sie Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (ASF). Ohne ihren und den Einsatz von Karin Junker wäre die Frauenquote - wie ursprünglich geplant – im Jahre 2013 ausgelaufen. Beide hatten sich beim Berliner Parteitag erfolgreich für eine Entfristung eingesetzt. Seit 1988 also gilt in der SPD: Mindestens 40 Prozent der Ämter sowohl für Frauen wie für Männer. Fortschrittlicher in Sachen Frauenanteil waren damals nur die Grünen. In ihrem Gründungsstatut steht eine Frauenquote von 50 Prozent.

Ingrid Matthäus-Maier, die 1982 nach dem Ende der sozialliberalen Koalition von der FDP zur SPD übertrat, ist heute eine entschiedene Befürworterin der Frauenquote. Das war nicht immer so. Ihr „Erweckungserlebnis“ hatte sie 1981, als die neugewählte norwegische Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland dank Quote ihr Kabinett paritätisch mit Frauen und Männern besetzte. „Es geht also doch schneller mit Quote“, lernte sie. Heute ist sie beunruhigt, weil das Thema nur noch eine Randrolle spielt: „Viele Dinge hält man für selbstverständlich, was sie nicht sind. Man muss immer kämpfen, denn nur wenig ist von Dauer.“

Den Boden bereitet für weibliche Politikkarrieren

Der Quotenbeschluss von Münster hat die SPD verändert, hat – wenn es auch dauerte – den Boden bereitet für weibliche Politikkarrieren, die damals in Münster noch unvorstellbar waren. Mit Andrea Nahles wurde zum ersten Mal eine Frau in der SPD Partei- und Fraktionsvorsitzende. Die Zeiten, in denen man Politikerinnen auf „Familie und Soziales“ beschränkte, sind in allen Parteien mit Ausnahme des rechten Männerclubs AfD vorbei.

Seit ihrer Gründung hat die SPD für Gleichberechtigung gekämpft. Sie hat 1918 das Frauenwahlrecht durchgesetzt. In den ersten Jahrzehnten nach Gründung der Bundesrepublik sah es allerdings nicht gut aus für politisch engagierte Frauen, auch in der SPD nicht. Das besserte sich langsam während Willy Brandts Regierungszeit. Aber immer noch schafften es viel zu wenige Sozialdemokratinnen in die Parlamente und dort blieben sie weitgehend beschränkt auf soziale Themen. Auch das war ein Grund für den Quotenbeschluss von Münster: Man wollte für die Wählerinnen, die sich in diesen Männerparlamenten nicht repräsentiert sahen, attraktiver werden.

Der Text erschien am 30. August 2018 und wurde am 29. August 2023 aktualisiert.

Autor*in
Renate Faerber-Husemann

(† 2023) war freie Journalistin in Bonn und Erhard-Eppler-Biografin.

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